Historical Collection 04
sich von ihr reiten lassen würde. Das nämlich würde kein leichtes Unterfangen werden. Die meisten Araberpferde waren ihrem Herrn treu; es waren kluge Geschöpfe, die sich nicht einfach von jedem davonführen ließen. Laila musste die richtige Stute wählen.
Während die Männer weiter um sie boten, ritt der Pascha näher und sah sie dabei unverwandt an. Laila hielt seinem Blick stand und war überrascht, im Schatten des Turbans tiefblaue Augen zu sehen. Das Gesicht des Mannes war sonnengebräunt, sein Kinn markant. Seine Züge hatten etwas Fremdländisches an sich und ließen erahnen, dass seine Mutter eine große Schönheit gewesen war, vielleicht aus Al-Andalus oder einer Region noch weiter nördlich. Er ließ die Hände auf dem Sattelknauf ruhen, nahm alles um ihn her auf und ignorierte die Händler, die an ihn herantraten, um ihn zu fragen, ob er mitzubieten gedenke.
Laila bemerkte seine neugierige Miene, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Pferde richtete. Alles in ihr schrie nach Flucht. Sie würde sich nicht von irgendeinem Mann ablenken lassen, nicht einmal von einem ansehnlichen.
Der Pascha musterte sie noch einen Moment lang, wandte sich aber schließlich ab. Die Händler liefen ihm hinterher und versuchten ihn dazu zu bringen, doch etwas zu kaufen. Raue Stimmen erschallten hier und da. „Für Euch, Herr, nur eintausend kurush !“, lockte ein Händler. „Neunhundert!“, bot er, als der Edelmann einfach weiterritt.
Diese kleine Ablenkung war die Gelegenheit, auf die Laila gewartet hatte. Sie riss sich von dem Kerl los, der sie an ihren Handfesseln festhielt, sprang vom Podest und eilte auf die Pferde zu. Hinter sich hörte sie die Peitsche knallen. Die Schnur verfehlte sie knapp, ritzte jedoch einer der Stuten die empfindliche Flanke auf. Wild vor Schmerz, bäumte sich das Tier auf und schlug mit den Hufen durch die Luft.
Abermals ließ der Sklavenhändler die Peitsche knallen, und nun stemmten sich auch die übrigen Stuten gegen die Stricke und bleckten die Zähne. Laila wusste, wie leichtsinnig es war, sich aufgescheuchten Pferden zu nähern, aber ihr blieben nur wenige kostbare Augenblicke, ehe die Männer sie erneut einfangen würden.
Dies war ihre letzte und einzige Chance.
Prinz Khadin zügelte sein Pferd hart. Er vermochte kaum zu glauben, was er da sah. Die junge Sklavin war vom Versteigerungspodest gesprungen und rannte auf eine Gruppe von Pferden zu. Jede andere Frau hätte vor Schreck aufgeschrien, als die Stuten stiegen, doch diese Sklavin stand nur reglos da.
„Herr“, sagte einer seiner Männer, „soll ich einschreiten?“
„Noch nicht.“ Khadin trieb sein Pferd vorwärts und beobachtete, wie die Frau begütigend die Hände hob und auf die Stuten einredete. Die Händler verstummten erstaunt, als sie die Pferde allein mit ihrer Stimme beschwichtigte.
War sie eine Zauberin? Nie zuvor hatte er erlebt, dass sich ein gepeitschtes Pferd von einer Frau besänftigen ließ. Doch in ihrer Miene lag keinerlei Angst, so als könne sie den Zorn des Tieres nachvollziehen.
„Ich weiß, du bist aufgeregt, meine Schöne“, meinte er sie flüstern zu hören. Sie hielt den Blick unverwandt auf die Stute geheftet, die sie aus ihren ovalen Augen ansah. Die Sklavin raunte ihr weitere Schmeicheleien zu, und die übrigen Tiere spürten offenbar, dass dieser Mensch keine Gefahr darstellte, denn eines nach dem anderen beruhigten sie sich.
Die junge Frau berührte mit den Fingerspitzen die Nüstern der Stute, und diese stupste ihrerseits sie. Wie eine Göttin aus längst vergangenen Zeiten stand die Frau inmitten der Menge, und das lange schwarze Haar, das ihr bis über die Hüften fiel, stand in krassem Gegensatz zu dem weißen Hals der Stute.
Mit ihren vollen Lippen und den mandelförmigen dunklen Augen wirkte die Sklavin betörend auf Khadin. Sie war schlank, als habe sie nicht genug zu essen bekommen, doch ihre Arme waren auf geschmeidige Weise kräftig – kräftig genug, ein widerspenstiges Pferd zu bezähmen. Ihre langen Beine wie auch ihr Hinterteil waren stramm und fest, so als habe sie viel Zeit auf dem Pferderücken verbracht. Zwischen ihren langen Flechten schimmerten zwei sanft geschwungene Brüste durch, und Khadin wusste, dass er nicht der einzige Mann war, der diese Frau begehrte.
Aber er brauchte keine Frau. Vor allem jetzt nicht.
Gleich darauf war auch schon der Sklavenhändler bei ihr und zerrte sie zurück. Sie schrie auf, während der Händler prompt ihr Geschick
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