Historical Collection 04
Hartley. Sein muskulöser Körper wurde gegen sie gepresst. Seine grauen Augen glitzerten im Halbdunkel.
Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Die Luft um sie herum schien Funken zu sprühen, dann wurde plötzlich alles still. Sie fühlte sich wie ein Vogel auf der Dachkante, zitternd vor Unsicherheit, ob er sich gleich in die Lüfte erheben oder zu Boden stürzen wird.
Sie fuhr ihm mit beiden Händen durchs Haar. Seidige Strähnen blieben dabei an ihren ledernen Handschuhen hängen, kringelten sich um ihre Finger. Er zog die Brauen zusammen, sein Kiefer zuckte unwillkürlich. Er hielt anscheinend ebenfalls den Atem an, als könne er die Spannung zwischen ihnen genauso spüren wie sie.
Langsam, ganz langsam ließ er sie auf den Boden sinken, dabei hielt er sie weiter eng an sich gedrückt. Sie nahm nur noch ihn wahr, seine Wärme, seinen frischen, maskulinen Duft, der sich in der Dunkelheit wie ein Mantel um sie legte.
Er neigte den Kopf zu ihr herunter, dabei lag ein Ausdruck um seinen Mund, als handele er gegen seinen eigenen Willen, könne aber nicht widerstehen. Sie waren einander in diesem Augenblick untrennbar verbunden. Sie fühlte es ebenso; sie konnte sich nicht von ihm abwenden.
Er streifte ihre Wange mit den Lippen, sein warmer Atem strich über ihre Haut. Sie seufzte tief und schloss die Augen, während sie sich ihm langsam näherte …
„Tante Bess! Wo bist du?“, hörte sie Jane draußen vor der Loge rufen. Es fühlte sich an, als hätte jemand sie mit eisigem Wasser übergossen, so plötzlich wurde sie aus der traumhaften Umarmung gerissen.
Entschlossen machte sich Elisabeth von Edward Hartley los. „Ich … Danke, Mylord“, flüsterte sie und eilte auf zitternden Beinen so schnell sie konnte zurück zu den Treppen.
Einen Augenblick lang stützte sie sich mit einer Hand an der Mauer ab, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Erst als sie sich gefangen hatte und wieder ruhiger war, wagte sie einen Blick zurück auf Edward, der noch immer im Türrahmen stand.
Er hatte ihr den Rücken zugekehrt und stand ganz still, den Unterarm an die Vertäfelung gelehnt. An seinem kleinen Finger steckte ein goldener Siegelring. Sie verspürte den Drang, zu ihm zurückzulaufen, um seine Lippen noch einmal auf ihrer Haut zu spüren.
„Tante Bess!“, rief Jane vom Fuß der Treppe. Elisabeth sah ein, wie unvernünftig sie sich aufführte.
Ich werde noch genauso albern wie die anderen Hofdamen werden, dachte sie niedergeschlagen. Sie musste diese Sehnsüchte sofort unterdrücken, ehe sie sich in ihnen verlor.
„Hier bin ich, Jane“, sagte sie und stieg eilig die Treppe hinab, die sich mittlerweile geleert hatte. Auf dem Treppenabsatz begegnete ihr ihre Nichte. Sie nahm Jane bei der Hand, und gemeinsam traten sie ins Tageslicht hinaus. Die Gerüche von Southwark – die stinkenden Abwassergräben und Kanäle, der beißende Qualm der Kamine, das Gedränge ungewaschener Leiber auf dem Vorplatz – ließen die Erinnerung an Edward verblassen und seinen Geruch verschwinden.
Beinahe.
Edward schloss die Augen und hörte, wie Elisabeth Gilbert vor ihm weglief und die Treppe hinunterhastete. All seine Sinne waren geschärft, auf einen einzigen Punkt konzentriert – sie. Er konnte das Rascheln ihrer Röcke hören, das Geräusch ihrer Schritte auf den Bodendielen und ihren leisen Atem. Er konnte immer noch den Rosenduft ihres Parfüms riechen, fühlte ihre weiche Haut noch immer unter seinen Händen.
Sein ganzer Körper war gespannt vor Verlangen, er sehnte sich danach, in ihrer Weichheit und Wärme zu versinken. Es war beinahe schmerzhaft, so sehr erregte sie ihn – ausgerechnet Elisabeth Gilbert, von allen Frauen auf der Welt!
Und sie hatte ihn auch gewollt, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, als sie sich selbst vergessen hatte – und vergessen hatte, wer er war. Er hatte es in ihren Augen gesehen, das Feuer in der Tiefe, hatte es in ihrem Körper gespürt. Als sie sich ihm zugeneigt hatte, mit leicht geöffneten Lippen …
„Himmel!“, murmelte er und schlug krachend mit der Faust gegen die Vertäfelung. Den Schmerz des Aufpralls spürte er kaum, so überwältigt war er von dem Verlangen nach ihr.
Wie hatte ihm nur bisher entgehen können, wie schön sie war? Welches Begehren sich hinter ihrer korrekten, eisigen Fassade verbarg?
Verdammt, eine solche Ablenkung konnte er gerade jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Nicht jetzt, wo er so kurz davor stand, endlich Rache zu
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