Historical Collection 04
ehe sie in eine Ehe gedrängt wurde – wie sie selbst, als sie in Janes Alter gewesen war.
Doch die Qualen ihrer Ehe lagen jetzt hinter Elisabeth. Seit zwei Jahren war sie Witwe, seit sie dreiundzwanzig war. Janes Prüfungen hatten noch nicht einmal begonnen. Das arme, liebe Mädchen.
„Welcher Mann, Jane?“, fragte sie, als sie sicher war, dass ihr die Stimme nicht versagen würde. Edward Hartley verunsicherte sie immer wieder, Schande über ihn. Er war einfach zu attraktiv und brachte so ihren festen Entschluss, sich nie wieder mit einem Mann einzulassen, ins Wanken.
„Na, der in der Loge dort drüben natürlich! Der Mann, der dich die ganze Zeit anstarrt“, sagte Jane. „Er trägt ein prächtiges Wams. Kleiden sich bei Hofe alle so elegant?“
„Wenn sie reiche Angeber wie Edward Hartley sind, dann ja“, murmelte Elisabeth.
„Edward Hartley? Heißt er so?“
„Lord Edward Hartley. Er ist der Sohn des Earl von Pensworth.“
„Ein Earl! Und gut aussehend noch dazu.“ Jane kniff die Augen zusammen, die normalerweise so blau und weit wie der Sommerhimmel waren. „Du scheinst ihm zu gefallen, Tante Bess. Er schaut dich an wie ein Hungernder eine Lammkeule.“
Ach wirklich? Elisabeth widerstand der Versuchung, zu ihm hinüberzuschauen, um zu sehen, ob Jane recht hatte. Eine Lammkeule! „Er sieht alle Frauen so an. Er ist bei Hofe einer der notorischen Herzensbrecher.“
„Tatsächlich? Ich wünschte, ich könnte an den Hof kommen und mir das ansehen!“
„Es ist schrecklich langweilig bei Hofe, Jane. Es gibt nichts zu tun außer zu lesen, Karten zu spielen und sich den neuesten Klatsch und Tratsch anzuhören.“ Und Edward Hartley zu beobachten wann immer sie sicher war, dass er sie nicht dabei erwischen würde. Seiner Eitelkeit musste nicht noch mehr geschmeichelt werden. Die jungen Schönheiten des Hofes waren ohnehin alle hinter ihm her, in diese Schar wollte sie als vernünftige Witwe sich nicht einreihen.
Irgendwie kam sie sich nur so viel weniger vernünftig vor, wenn er zugegen war. Bei seinem Anblick fragte sie sich, wie es wohl wäre, das Bett mit ihm zu teilen anstatt mit ihrem alten, vertrockneten, zudringlichen Ehemann. Wie es wohl wäre, ihn zu küssen, ihn zu berühren, einen Liebhaber zu haben, den sie wirklich wollte? Mit seinem unbekümmerten Lachen löste er Gefühle in ihr aus …
So hatte sie sich noch nie zuvor gefühlt. Und ganz bestimmt nicht bei ihrem Ehemann, dessen unbeholfene Berührungen und sein Herumgestocher unter der Bettdecke hatten sie völlig kalt gelassen, manchmal war ihr dabei regelrecht elend geworden. Der Hofklatsch sagte jedoch, dass Lord Edward äußerst geschickt war.
Elisabeth warf ihm schnell einen verstohlenen Blick zu. Seine Augen waren jetzt auf die Bühne gerichtet, sodass sie ihn für einen kurzen Moment unbemerkt mustern konnte. Er galt zu Recht als einer der bestaussehenden Männer des Palasts. Und das, obwohl es dort vor gut aussehenden, eleganten Edelleuten nur so wimmelte. Er trug das glänzend braune Haar ein wenig zu lang, es hing ihm bis auf den Kragen seines purpurroten Wamses hinab. Sein Gesicht war scharf geschnitten und wirkte vornehm, obwohl er gebräunt war, als verbrächte er die meiste Zeit im Freien und nicht in den Gemächern des Palasts. Obwohl er glatt rasiert war, war der Schatten seines Bartes zu sehen. Sein weißer Perlenohrring stach deutlich von seiner dunklen Haut ab.
Sein Wams war modisch auf Figur geschnitten, sodass es seine breiten Schultern und seinen muskulösen Brustkorb betonte. Er war kein bleicher feister Höfling, sondern ein Krieger.
Wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, verbrachte dieser Krieger viel Zeit auf dem Schlachtfeld der Liebe und machte Eroberungen in den Schlafgemächern.
Wie dem auch sei, Elisabeth konnte keine Romanze gebrauchen, genauso wenig wie Männer, die viel zu attraktiv und ganz offensichtlich sinnenfreudig waren – gleichgültig, was für Traumbilder ihr im Kopf herumspukten! Ihre Ehe war eine furchtbare Katastrophe gewesen, und nun war sie endlich frei, ihr Leben selbst zu gestalten.
Jedoch: Wenn sie die nötige Vorsicht walten ließe, wäre in ihrem Leben vielleicht Platz für Leidenschaft ohne Ehegelöbnis …? Nein, nicht für sie und schon gar nicht mit Edward Hartley.
„Wie kann es bei Hofe langweilig sein, Tante Bess?“, fragte Jane. Ihre Augen glänzten, während sie verträumt auf die Bühne hinunterschaute. Der Narr war von einem groß gewachsenen,
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