Historical Collection Band 01
wollte nicht gelingen. Morgen würde er Loveday wiedersehen. Leider war er sich nicht sicher, was seine moralische Stärke betraf. Nun, er würde einen Diener mitnehmen, damit dieser ihm beim Tragen der Bilder behilflich war. Und am darauffolgenden Tag würde er London sowieso verlassen. Er hatte versprochen, an einer Hausparty teilzunehmen, die seine Tante Caroline in Steynings gab. Sie hatte ihn gebeten, als Gastgeber zu fungieren. Nach einigem Zögern hatte er sich damit einverstanden erklärt, vor allem, da die Party ihm die Möglichkeit bot, Miss Angaston näher kennenzulernen, die junge Dame, die er wahrscheinlich heiraten würde.
Wenn er Miss Angaston den Hof machte, konnte er unmöglich Loveday verführen. Dazu war er nun doch zu sehr Gentleman. Schade nur, dass er vor sechs Jahren so vollkommen vergessen hatte, wie ein Gentleman sich zu benehmen hat. Im Rückblick fand er den draufgängerischen jungen Dummkopf, der er damals gewesen war, ziemlich unsympathisch.
Der Aufenthalt in Steynings würde ihm guttun. Wenn er schließlich nach London zurückkehrte, würden die Wandgemälde fertig sein und es würde keinen Grund geben, Loveday Trehearne noch einmal aufzusuchen.
Er konnte sie nicht fassen, obwohl sie doch in seinen Armen lag. Ihr Haar erinnerte ihn an einen duftenden Schleier. Ihr Körper war flüchtig wie feiner Nebel. Und doch genoss er ihre Gegenwart.
Wie lange es zurücklag, dass sie einander so nahe gewesen waren! Er wagte kaum zu glauben, dass sie nun wirklich bei ihm war. Dass sie sein Gesicht mit kleinen Küssen bedeckte. Dass er tatsächlich ihren Atem wie eine Liebkosung auf seiner Haut spürte.
Sein Körper war geradezu schmerzhaft angespannt, so sehr sehnte er sich danach, sie zu besitzen. Er wandte den Kopf, um ihre Lippen zu küssen. Eine kurze Berührung – und schon war da wieder dieser Nebel, der sie trennte. Er wollte sie festhalten. Doch sie entglitt seinen Fingern. Er wollte nach ihr rufen, sah, dass sie weinte. Und dann war sie fort.
Seine Kehle schmerzte, als er mit einem Schrei erwachte.
Everett ließ sich in die Kissen zurückfallen. Kalter Schweiß bedeckte seine Haut. Er fühlte sich schwach und zittrig. War er womöglich krank? Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, griff er nach einem Glas Wasser, das auf dem Nachttisch stand, und trank in langen Zügen.
In den vergangenen Wochen war er oft so aufgewacht. Und jedes Mal war er so erregt gewesen, dass sein Körper schmerzte. Was auch immer er geträumt hatte – es machte ihn nicht glücklich. Diese Art von Verlangen empfand er als eine schreckliche Qual. Er litt körperlich ebenso wie seelisch. Wenn er wenigstens wüsste, wovon seine Träume handelten! Aber alles, woran er sich erinnern konnte, war ein dichter Nebel.
Noch immer zitternd schloss er die Augen. Wenn seine Erregung endlich nachließ, würde er wieder einschlafen können.
Die Glocken von St. Clement Danes schlugen gerade vier Mal, als Loveday die Tür zu der kleinen Wohnung am Little Frenchman’s Yard öffnete. Ihr blieb also eine Stunde, um sich zu waschen, sich umzuziehen und aufzuräumen. Es gab einiges, was sie vor Everett verstecken wollte. Aber die Arbeit fiel ihr schwer. Ihr Rücken schmerzte ebenso wie ihre Arme und Beine. Wie sehr sie sich nach einer Tasse Tee sehnte! Aber in letzter Zeit hatte sie sich keinen Tee leisten können.
Während sie Pinsel reinigte, dachte sie daran, dass sie nun über genug Geld verfügte, um Tee zu kaufen. Sie besaß sogar genug, um in eine bessere Gegend zu ziehen! Allerdings gab es viele Hausbesitzerinnen, die nicht an Künstler vermieten wollten. Und was die Hausbesitzer betraf … Nun, sie zog es vor, nicht darüber nachzudenken, was die zusätzlich zur Miete wohl fordern mochten. Wie gut, dass sie sich nun keine Sorgen mehr darüber machen musste. Bald schon würde sie in Sicherheit sein. Und sie würde Erfolg haben.
Es war das Läuten der Kirchenglocken, das Loveday aus ihren Überlegungen riss. Fünf Schläge! Und sie hatte noch nicht alle Pinsel gereinigt! Sie musste sich beeilen!
Als es sechs Mal läutete, war Everett noch immer nicht da. Hatte er sich verspätet? Oder würde er gar nicht kommen? Zweifellos machte er sich keine Gedanken darum, dass sie hungrig war. Wahrscheinlich hatte er sich noch nie klar gemacht, dass es Menschen gab, die nicht einfach nach einem Bediensteten rufen und sich etwas zu essen und zu trinken bringen lassen konnten.
Sie hasste diese Anfälle von
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