Historical Collection Band 01
dem langstieligen Pinsel. Ohne ihren Bewacher aus den Augen zu lassen, tunkte sie das Schreibgerät in die Tuscheschale. Als die Spitze voll gesogen war, ließ sie die überschüssige Flüssigkeit abtropfen.
Sie erhob sich auf die Knie und drehte sich so, dass er ihr gegenüberstand. Ein trotziges Lächeln auf den Lippen, pinselte sie ihm ein kühn geschwungenes Schriftzeichen auf die nackte Haut seines Oberschenkels, genau unterhalb des Saums seiner lederverstärkten Rüstung.
„Siehst du?“ Ein trotzig entzücktes Lachen schwang in ihrer Stimme mit. „Ich werde auch weiterhin dichten, wie es mir gefällt, und wenn ich das Reispapier durch bloße Haut ersetzen muss.“
Mit Unheil verkündender Miene nahm Takeshi den schweren Brustpanzer ab, warf ihn von sich und schickte die leichte Tunika, die er darunter trug, hinterher. Im Gegensatz zu kaiawase war dieses Spiel, das Miku unbedacht angefangen hatte, eines, das er nicht nur spielen wollte, sondern gewinnen.
Der Pinsel in Mikus Hand zitterte, als sie den Anblick des schlachterprobten, sonnengebräunten nackten Körpers in sich aufnahm. Der Samurai war kein Mann, mit dem man Spielchen trieb. Selbst ohne Waffen und Rüstung wirkte er wehrhaft – in beeindruckendem Maße. Und doch bewies die Zärtlichkeit, zu der er fähig war, dass es sich bei dem Mann, der vor ihr stand, nicht um einen gewöhnlichen Söldner handelte.
Takeshi sah hinunter auf Miku, die noch immer vor ihm kniete, den Pinsel in der Hand, und machte sich klar, dass es seinen Preis hatte, diese einzigartige Frau zu berühren. Wenn er sich nicht vorsah, riskierte er, sein Herz an sie zu verlieren – und sein Leben an ihren Onkel, seinen Fürsten.
Aber allein die Vorstellung, dass sie ihn streichelte, so feinfühlig und voller Anmut, wie sie ihre Kalligrafien verfertigte, brachte ihn zum Glühen. Es verlangte ihn nach der Berührung ihrer Hände, die sich anfangs so scheu und dann irgendwann so leidenschaftlich angefühlt hatte. Noch einmal wollte er die bebenden Fingerspitzen auf seiner panzerbewehrten Brust … auf seinem Herzen spüren.
Der trotzige Blick, mit dem sie ihn ansah, bewegte ihn tief. Eine Frau, die so stark war, so kühn und bereit, der Welt die Stirn zu bieten, wenn es um die Verteidigung ihrer Interessen ging, erregte ihn … körperlich und seelisch. Mit einem Mal hatte er nicht mehr den Wunsch, sie an ihrer Dichtung zu hindern. Sondern sich vor sie hinzuknien, sie in seine Arme zu ziehen und die schwungvollen Striche ihres Bambuspinsels auf seiner Haut ebenso zu genießen wie das Streicheln ihrer Hände. Miku zu berühren und von ihr berührt zu werden, sie zu umarmen und zu lieben, sich ihren eigensinnigen Geist gerade so weit untertan zu machen, dass ihre tiefsten Begierden Erfüllung erfuhren, danach sehnte er sich.
Doch ihr Erfüllung zu schenken würde den Treueeid verletzen, den er ihrem Onkel geschworen hatte. Der Fürst verfolgte andere Pläne mit seiner Nichte, als sie mit einem Samurai zu verbinden, aber Takeshi fragte sich, ob ein so kleinkarierter, tyrannischer Herrscher seine Ergebenheit wirklich verdiente. Er hatte dem verachtenswerten alten Mann gegenüber nie Loyalität empfunden, und womöglich war jetzt der Zeitpunkt gekommen, da er die Maske fallen lassen und sich seiner Verpflichtungen entledigen konnte.
Mit einem Mal begriff er, dass Mikus Aufsässigkeit bereits Breschen in die Wälle geschlagen hatte, die sein Herz schon so lange umgaben und es zu einer nahezu uneinnehmbaren Festung machten. Wenn eine sanfte Dichterin fordern konnte, dass man ihre Wünsche beachtete, war ein Krieger wie er erst recht in der Lage dazu.
Im selben Moment erschien ihm das Risiko zu sterben trivial verglichen mit der Vorstellung, eine Nacht mit dieser verlockenden Frau zu verbringen. Und eine Nacht war alles, worauf er hoffen konnte, denn der Fürst würde sein Leben fordern als Preis für Mikus Keuschheit.
Als er schließlich sprach, klang seine Stimme belegt vor Verlangen. „Ich werde Euch die Schriftrollen nicht zurückgeben.“
Die Sonne verschwand hinter den Bergen, und die Dämmerung warf purpurfarbenes Licht durch die Schiebewände aus Reispapier. Miku ließ den Samurai nicht aus den Augen. Aus dem anfänglichen Spiel, mit dem sie sich hatte beweisen wollen, dass sie die Situation kontrollierte, war Ernst geworden. Bot dieser Samurai ihr tatsächlich seinen Körper an – seinen ganzen Körper –, ausschließlich zu ihrem Vergnügen?
Ihre Hand zitterte immer
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