Historical Collection Band 01
Hälften passten, und ein Blick ins Innere bestätigte, dass es sich um das richtige Pärchen handelte.
„Ahornblätter.“ Sie hielt die Schalen hoch, damit Takeshi sie sehen konnte.
Er nahm sie ihr aus der Hand, um die winzigen Gemälde genau betrachten zu können. Als seine raue Haut ihre streifte, zuckte Miku zurück. Plötzlich war sie sich seines Blickes überdeutlich bewusst, doch obwohl sie ihm seine Rolle als ihr Gefängniswärter noch immer übel nahm, stellte sie fest, dass sie seine Gegenwart angenehm fand. Was hatte dieser Samurai an sich, das in ihr eine solche Sehnsucht hervorrief?
Eine Sehnsucht, die sie noch nie verspürt hatte, die sich nicht einmal in ihren gewagtesten Versen wiederfand? Als Dichterin beherrschte sie die Sprache, fand stets das perfekte Wort für eine Stimmung. Und doch konnte sie ihre gegenwärtigen Empfindungen nicht benennen.
„Du bist dran.“ Sie senkte den Blick auf die Muscheln und versuchte des Tumults in ihrem Innern Herr zu werden.
Sie hatte viel über Liebe und Verlangen geschrieben, doch was sie im Augenblick für diesen einfachen Samurai empfand, konnte damit nichts zu tun haben. Zumal er ihr von ihrem tyrannischen Onkel als Bewacher zugeteilt worden war. Nein, dass sich ihr Geist und ihre Sinne in Aufruhr befanden, rührte zweifellos daher, dass er ungebeten in ihre persönliche Sphäre eingedrungen war.
Takeshi wählte eine Muschelhälfte, strich mit der Fingerspitze am äußeren Rand entlang und nahm jede Einzelheit der Rillenformen in sich auf. Dann schloss er die Augen und betastete die anderen Muscheln.
Miku beobachtete wie in Trance, wie er seine kräftigen Finger über die zerbrechlichen Muschelschalen gleiten ließ, bis er das passende Gegenstück gefunden hatte. Seine Hände waren die eines Kriegers, rau und schwielig, doch er bewegte sie wie ein Bildhauer, der forschend an den Konturen einer wohlgelungenen Skulptur entlangstreicht. Gebannt verfolgte sie den bedächtigen Fortgang seines Tuns, eine behutsame Berührung nach der anderen. Es wäre der perfekte Moment für eine Flucht gewesen, doch irgendetwas hielt sie davon ab, und sie fuhr fort, ihn zu beobachten. Schließlich hielt er bei einer Muschel inne und nahm sie in die Hand.
Takeshi öffnete die Augen. Die junge Frau war vollkommen ruhig, ihr Blick, der von den Muschelhälften in seinen Händen zu seinem Gesicht ging, die einzige Bewegung an ihr. Ihr Atem hatte sich vertieft, und über ihren Wangen lag ein rosiger Hauch. Mit einem kaum hörbaren Klicken legte er die beiden Hälften aufeinander und hielt ihr die ganze Muschel hin.
„Was zeigen die Bilder?“, fragte er sie.
Sie nahm die obere Hälfte ab. „Pflaumenblüten.“
„Ah, rosa überhauchte Blüten an einem dunkelbraunen Zweig.“ Takeshi lächelte sie sanft an. „Zartheit und Härte, die einander ergänzen.“
„Du hast mich belogen“, flüsterte sie atemlos. „Du bist ein Dichter.“
Sie lehnte sich zu ihm vor, seine Muschel in ihrer nach oben gewandten Handinnenfläche. Takeshi griff danach und hielt inne, als seine Hand ihre berührte. Diesmal zuckte Miku nicht zurück, und er nahm seine Finger nicht fort.
Ihre Augen schienen mehr als seine Rüstung zu sehen, als ihr forschender Blick über die lederne Brustpanzerung und die gezackten Linien seines Helms glitt; sie schienen bis in die innersten Tiefen seines Seins zu dringen. Vielleicht nimmt sie das an mir wahr, was allen anderen entgangen ist, dachte Takeshi. Vielleicht konnte sie unter der schlachterprobten Oberfläche den Mann sehen, von dem er selbst beinahe vergessen hatte, dass es ihn gab.
Und ohne zu überlegen, beugte er sich zu ihr und küsste sie. Ein kleiner Laut der Überraschung entschlüpfte ihr, als er seinen Mund auf ihren senkte, doch sie ließ seine Umarmung zu. Für einen kurzen Moment versank Takeshis gewohnte Welt, und Härte und Krieg und Pflichterfüllung wichen der Weichheit von Mikus Lippen und der Süße ihres Geschmacks.
Unter seiner rauen Hand fühlte sich die Haut ihrer Wange wie Seide an. Er zog Miku näher zu sich und presste sie gegen seinen gepanzerten Körper. Wie von selbst schloss sich sein Arm um ihre Taille, und er spürte die Glätte des kosode unter seiner Berührung. Mit der anderen Hand strich er ihr durchs Haar, schlang sich eine Strähne um die Finger und vertiefte den Kuss.
Miku zitterte, als er ihren Mund mit seinem bedeckte und sie erst sanft und dann immer heftiger küsste. Weder ihre dichterische Vorstellungskraft
Weitere Kostenlose Bücher