Historical Collection Band 01
sie forschend. Ihr unschuldiges Interesse an seinem Wohlergehen durchdrang die unüberwindliche Mauer, die er um sein Herz errichtet hatte. Durfte er diese unberührte Blüte tatsächlich nur für eine Nacht in den Armen halten? Dann musste diese Nacht den Preis wert sein, den man ihn zwingen würde, dafür zu zahlen. Dennoch nahm er sich vor, sie nur dann zu besitzen, wenn sie wirklich bereit dazu war, wenn sie die Tiefe ihres eigenen Verlangens kannte. Alles andere wäre ihm als Gewalttätigkeit gegen den freien, schönen Geist dieser Frau erschienen, den er längst über alle Maßen bewunderte.
Er zog sie zu sich, deutete in Richtung des nächtlichen Himmels. „Als Dichterin solltet Ihr Euch nicht mit den Küm mernissen eines gewöhnlichen Kriegers befassen, Miku- san . Sondern nur mit der erhabenen Schönheit der Sterne.“
Mikus Herzschlag beschleunigte sich bei Takeshis Worten, auch wenn seine respektvolle Anrede verriet, dass er innerlich wieder auf Distanz zu ihr gegangen war. Ihr Blick schweifte zum funkelnden Nachthimmel. Wie konnte etwas so vollkommen sein nach der Erfahrung, die sie soeben mit dem grüblerischen und gleichzeitig so empfindsamen Soldaten geteilt hatte?
So wie der volle Mond den fernen Ozean hob und zur Küste zog, fühlte Miku sich mit Körper und Seele zu Takeshi hingezogen, obwohl sie ihn noch vor wenigen Stunden kaum gekannt und nur den Söldner in ihm gesehen hatte, der ihrem Onkel zur Treue verpflichtet war – einen Gefängniswärter. Sie begann sich zu fragen, ob es tatsächlich nur das gewesen war, was sie heute Abend zusammengeführt hatte.
„Ich kann mir noch immer nicht erklären, weshalb ausgerechnet du, der am höchsten geschätzte Samurai meines Onkels, mit einer so niederen Aufgabe wie der Bewachung seiner Nichte betraut worden bist“, flüsterte sie und fuhr mit ihren Fingern durch Takeshis Haar.
„Ihr habt mehr Bedeutung, als Ihr glaubt, Miku- san .“
Verwundert sah Miku ihn an. „Das musst du mir erklären.“
Er nahm sich Zeit mit der Antwort, und als er sprach, waren seine Worte gemessen und kamen abgehackt wie die eines Offiziers.
„Euer Onkel trifft sich mit einem Würdenträger aus der kaiserlichen Residenz.“ Takeshis Blick schweifte in die Dunkelheit auf der Veranda. „Einem wichtigen Beamten, der über politische Verbindungen und großen Reichtum verfügt. Und Euer Onkel plant, Euch ihm zur Frau zu geben. Die Heiratszeremonie wird morgen früh nach seiner Rückkehr stattfinden, und ich soll Euch bewachen, bis das Unvermeidliche geschieht.“
Miku war leichenblass geworden, doch in der nachfolgenden Stille trat flammende Empörung an die Stelle ihrer anfänglichen Fassungslosigkeit. „Heiraten? Morgen? Wann sollte ich darüber unterrichtet werden? Wann den Mann kennenlernen?“
„Der Fürst geruhte nicht, mir diese Einzelheiten zu enthüllen. Er ließ mich lediglich wissen, wie wichtig es ist, Euch während seiner Abwesenheit nicht aus den Augen zu lassen und Euch davon abzuhalten, weitere Gedichte zu verfassen, die Euren Bräutigam erzürnen könnten. Das politische Fortkommen Eures Onkels hängt vom Gelingen dieser Heirat ab.“
Als er die Worte laut aussprach, wurde Takeshi klar, dass er dem Befehl nicht mehr Folge leisten konnte. Er war nicht mehr Mikus Bewacher, denn nun hielt sie sein Herz gefangen, und wiewohl die Tradition vorschrieb, dass er eines Tages eine Frau heiratete, die der Fürst ihm bestimmte, wusste Takeshi, dass seine Gefühle für Miku ihn zwingen würden, dem alten Mann früher entgegenzutreten, als er es geplant hatte. Doch bevor er fortfahren konnte, hatte Miku sich aufgesetzt. Ihre Augen blitzten.
„Gelingen?“, wiederholte sie scharf. „Wie sollte das möglich sein bei einer arrangierten Verbindung mit einem völlig Fremden? Einer erzwungenen Verbindung mit einem Mann, dem ich nie zuvor begegnet bin und den ich niemals lieben und ehren könnte. Niemals! Denn ich entscheide, wen ich heirate. Ich entscheide, mit welchem Mann ich das Bett teile!“
Ihre Brust hob und senkte sich unter ihren raschen Atemzügen. Zorn, Entsetzen und Trotz spiegelten sich in ihrer Miene, als sie Takeshi ansah. Sollte er ihr doch widersprechen!
Doch anstatt Gehorsam von ihr zu verlangen, ließ er seine Fingerspitzen über ihre Wange gleiten. Sie schloss die Augen, als er ihre Kinnlinie liebkoste und an ihrer Kehle verharrte.
„Und wer wird das sein?“ Seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern. „Wer wird der Ehemann sein, mit dem
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