Historical Collection Band 01
sie kannte und liebte?
„Er wird die Hochzeitsnacht mit dir in deinen Gemächern verbringen und dich morgen in die Hauptstadt mitnehmen. Und dort, mein verehrter Oroshi“, wieder stieß ihr Onkel seinem Gast in die Rippen und zwinkerte ihm komplizenhaft zu, „wird sie ihre Dichtung beiseitelegen und Euch viele Söhne und Töchter gebären.“
Entsetzen machte sich in Miku breit, während sie versuchte, die Fassade ruhiger Gelassenheit zu wahren.
„Ihr erweist mir eine große Ehre, indem Ihr mir den geschätzten Oroshi- san als Ehemann bestimmt“, erwiderte sie und erstickte beinahe an den Worten. „Eine Ehre, derer ich nicht wert bin.“
„Wie wahr, aber dennoch wirst du sie akzeptieren“, erwiderte ihr Onkel schroff, während sein Gast sie mit lüsternen Blicken förmlich verschlang. „Allein schon wegen der Vorteile, die mir diese Heirat am Hof des Kaisers verschafft.“
Takeshi zitterte am ganzen Leib, er hatte die Zähne zusammengebissen, und flammender Zorn stand in seinen dunklen Augen, als er zwischen Miku und Oroshi hin und her sah.
Nichts von dem stummen Drama ahnend, das sich zwischen seiner zukünftigen Braut und ihrem Samurai abspielte, beugte Oroshi sich zu seinem Gastgeber. „In der Tat. Die ansehnliche Mitgift, mit der Ihr Eure Nichte auszustatten gedenkt, wird Seine Kaiserliche Majestät angemessen beeindrucken. Und wie geehrt sich Eure Bauern erst fühlen werden, wenn sie erfahren, dass ihre Reisernte Teil einer so edelmütigen Gabe ist.“
Wieder lachten die beiden Männer, während Miku ungläubig den Kopf schüttelte. Nicht nur sollte sie mit einem derart abstoßenden Mann vermählt werden, sondern die Leibeigenen ihres Onkels würden noch mehr hungern müssen, damit ihre Aussteuer gesichert war.
„Eine Mitgift, die mit dem Schweiß der Bauern bezahlt wird und die der Kaiser erhält, wird es nicht geben“, ließ sich in diesem Moment Takeshis tiefe Stimme vernehmen. „Und jetzt bindet mich los!“
Mikus Blick schoss zu Takeshi und dem Trupp Samurai, die ihn mit gezogener Waffe umstanden. Selbst gefesselt strahlte er mit seinem durchdringenden Blick und der gebieterischen Stimme mehr Autorität aus als jeder andere Mann im Raum. Und obgleich sie herbeizitiert worden waren, um ihn zu bewachen, durchtrennten die Samurai seine Lederfesseln und überreichten ihm sein katana .
„Haltet ihn auf!“ Die Angst in der Stimme des Fürsten war nicht zu überhören, doch die wenigen Soldaten, die dem Befehl Folge leisteten, hielten angesichts der warnend gefletschten Zähne und der drohend gereckten Schwerter ihrer Kameraden, die sich für Takeshi entschieden hatten, inne.
Feierlich ernst nickte Takeshi den Männern zu, die sich ihrerseits respektvoll vor ihm verbeugten, ohne jedoch die beiden Männer auf den Bodenkissen aus den Augen zu lassen.
Der Zeitpunkt war gekommen, an dem es zu handeln galt, und Takeshi war bereit. Er war immer bereit gewesen, wie er jetzt erkannte, doch es hatte des feurigen Temperaments von Miku bedurft, ihrer sanften Berührungen und ihrer Beherztheit, um den Rebellen in ihm zu entfesseln. „Jahrelang haben wir deine Befehle erfüllt, alter Mann“, sagte er kühn und trat vor den Fürsten, „und jahrelang sind wir dem Eid, den wir dir leisteten, treu geblieben. Aber genauso lang hast du unsere Familien unterdrückt und hungern lassen. Du hast deine Macht über alle, die unter deiner Herrschaft stehen, missbraucht.“ Er hielt inne, und Miku schlug das Herz bis in die Haarwurzeln bei seinen nächsten Worten. „Selbst über jene, die zu deinem Haushalt gehören.“
Ein feindseliges Murmeln ging durch die Halle, Dutzende Samurai nickten beifällig und verlagerten ihr Gewicht von einem Fuß auf den andern, bereit, jeden Moment anzugreifen. Takeshi hob die Hand, und das Gemurmel verstummte.
„Wir sind unseren Vorstellungen von Ehre, Treue und Ergebenheit verpflichtet. Ihr dagegen kennt nichts außer Macht und Gier und Wollust. Und deshalb werdet Ihr dieses Anwesen und die Gegend verlassen. Ich gestatte Euch nicht, Land und Leute weiterhin auszubeuten und sie dem Hunger zu überlassen. Ich werde solches Unrecht nicht länger dulden.“
Takeshi deutete auf die ihm ergebenen Samurai. „Statt die Ausblutung der Bauern zu unterstützen, können diese tapferen Männer einen neuen Eid schwören. Auf Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Mitgefühl. Auf mich, ihren neuen Befehlshaber.“
„Aber … aber du bist doch nur ein Bauer“, winselte Oroshi verständnislos.
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