Historical Collection Band 02
für ihre Gesellschaft zahlen wollte.
„Willst du es wirklich tun, Maggie?“ Ihr Cousin runzelte kritisch die Stirn. „Es widerspricht dem Anstand.“
Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Ausgerechnet du sprichst von Anstand?“
Henry war schon immer das schwarze Schaf der Familie gewesen. Sohn eines Schulmeisters und Neffe eines Pastors, lief er dennoch, kaum dass ihm der Flaum wuchs, davon und schloss sich einer Theatertruppe an, um Schauspieler zu werden. Inzwischen allerdings war von der Familie kaum noch jemand da, der ihn deswegen hätte verurteilen können; nur Margaret und ihr jüngerer Bruder lebten noch.
Henry nickte und winkte verächtlich ab. „Ach, zum Teufel mit dem Anstand! Das Leben ist zu kurz, um sich nicht zu vergnügen, so gut man kann.“
Margaret stieß nervös den Atem aus. „Nun, zurzeit kann ich mir weder Vergnügen noch Anstand leisten.“
Voller Mitgefühl schürzte Henry die Lippen. Da er enge grüne Hosen und ein grünes Wams trug und dazu Hörner auf dem Kopf, wirkte er mit diesem Ausdruck ausgesprochen komisch.
Margaret unterdrückte ein Lachen.
Derzeit trat Henry in einigen kleinen Rollen im Covent Garden Theater auf. Das Kostüm des Puck, das er trug, stammte von dort, und für Margaret hatte er ein Feenkleid ausgeborgt – ein Gewand in zartestem Rosa aus vielen Lagen hauchfeinen Schleierstoffs, sodass sie dahinzugleiten schien, anstatt zu schreiten. Noch nie hatte sie eine so wunderschöne Robe getragen.
„Da sind wir“, rief Henry, als sie die Pavillons am South Walk vor sich sahen.
Margaret, Tochter eines verarmten Geistlichen, und ihr Cousin Henry, ein unbekannter Schauspieler, sollten bei dem Duke of Manning zu Gast sein. Derselbe hatte für das Maskenfest mehrere nebeneinanderliegende mit Blumen und bunten Seidenbahnen geschmückte Logen gemietet. Schon drängten sich darin die Gäste. Die meisten Herren trugen schwarze Dominos, die Damen jedoch glänzten mit den unterschiedlichsten Kostümen, vom ländlichen Milchmädchen bis zur ägyptischen Pharaotochter. Margarets besagter Gentleman hatte arrangiert, dass ihr Treffen inmitten der Freunde des Dukes stattfand.
Reuig lächelnd sah Margaret ihren Cousin an. „Wenn unsere Eltern uns jetzt sehen könnten.“
Henry lachte. „Wahrscheinlich drehen sie sich im Grabe um. Ich höre förmlich deinen Vater.“ Er gestikulierte, als stünde er predigend auf einer Kanzel. „ Ich aber sage euch, dass ihr nicht Umgang pflegen sollt mit Ehebrechern … “
Margaret stiegen Tränen in die Augen. „Du klingst wahrhaftig wie er.“
„Mein schauspielerisches Talent …“, meinte Henry sachlich.
Vor gerade einmal zwei Monaten war ihr Vater unverhofft an einem Schlaganfall dahingeschieden, und immer wieder einmal überkam sie zu den unmöglichsten Zeiten die Trauer. Er war aus seiner Generation der Letzte gewesen. Nun sind wir Waisen, dachte sie.
Henry setzte ein aufmunterndes Lächeln auf und stieß sie kameradschaftlich an. „Ich wage zu behaupten, dass dein Vater den Duke of Manning nicht als anständige Gesellschaft für dich betrachtet hätte.“
„Und seinen Freund auch nicht.“ Den Herrn, mit dem sie sich treffen wollte.
Der berüchtigte Duke of Manning war mit der Gemahlin des Earl of Linwall durchgebrannt, lebte nun mit ihr zusammen und hatte mit ihr mehrere Kinder gezeugt. In dieser Loge hier waren der Duke und seine Lady leicht zu erkennen. In Kostüme des vergangenen Jahrhunderts aus schimmernden Brokatstoffen gekleidet, begrüßten sie ihre Gäste.
„Für ein Paar, das in Sünde lebt, sehen sie außerordentlich glücklich aus“, meinte Margaret.
„In der Tat. Der Lohn der Unanständigkeit.“ Henry nahm sie beim Arm und zog sie mit sich.
Sie wiesen dem Lakaien am Eingang der Loge ihre Einladungen vor und wurden eingelassen. Margaret musterte all die schwarzen Dominos. Seiner sei rot abgefüttert, hatte er ihr geschrieben.
Doch sie konnte kein Rot entdecken.
Sie erinnerte sich an die Anzeige in der Times.
Gesucht – gebildete Dame vornehmer Abstammung als Gesellschafterin. Wohlhabender Gentleman bietet großzügige Vergütung.
Margaret hatte darauf geantwortet. Sie antwortete auf jede Anzeige, in der eine Gouvernante oder Gesellschafterin gesucht wurde. Andere Berufe gab es für Frauen ihres Standes kaum. Bisher hatte sie keinen Erfolg gehabt. Als daher der in der Anzeige erwähnte Gentleman einen Lakai mit einer schriftlichen Antwort schickte, stieg ihre Hoffnung.
Und zerschellte
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