Historical Collection Band 03
nahm er bedächtig einen Schluck aus seinem eigenen Glas.
Tatsächlich war er, noch bevor er von Alice Fortesques Anwesenheit in seinem Salon erfahren hatte, nicht in der besten Stimmung gewesen. Er hatte früher am Abend ein Schreiben von Teresa bekommen, die bis zu seiner Verlobung vor einem Monat noch seine Geliebte gewesen war. Darin flehte sie ihn an, ihn ein letztes Mal sehen zu dürfen, damit sie sich auf zivilisierte Weise von ihm verabschieden könnte. Angesichts der Szene, die sich abgespielt hatte, als er neulich ihre Affäre beendete, war ihm das nicht sehr wahrscheinlich erschienen. Und leider hatten seine Zweifel sich bestätigt.
Er verzog den Mund vor Abscheu, als er sich an das Treffen erinnerte. „Ich hoffe aufrichtig, dass es einen dringenden Grund für diesen unerwarteten Besuch gibt.“
Ihre dunkelgrünen Augen funkelten ärgerlich. „Ich wäre sonst ja wohl kaum hier.“
„Nun?“, forderte Daniel sie knapp auf, als Alice ihrer Bemerkung nichts hinzufügte.
„Ich … In Wirklichkeit …“
„Ja?“
„Ich bin mir ganz und gar nicht sicher, dass ich Sie zu heiraten wünsche!“ So. Sie hatte es gesagt. Alice war unendlich erleichtert, eine Sorge ausgesprochen zu haben, die sie seit einem Monat quälte.
In diesem Monat war sie dem Earl nur zwei Mal begegnet. Bei seinem ersten Besuch war er gekommen, um die Erlaubnis ihres Bruders für seine Werbung zu erbitten. Und das zweite Mal war eine Woche später und am Vorabend seiner Reise zu seinem Anwesen in Bedfordshire gewesen. Sie hatten ein Familiendinner abgehalten, um ihr Verlöbnis bekannt zu geben, und auch hierbei hatte es keine Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch zwischen ihr und ihrem Verlobten gegeben.
In den folgenden Wochen hatte Alice mehrere Briefe an ihn verfasst, die sie aber niemals abschickte. Die Dinge, die sie Daniel Wycliffe zu sagen wünschte, konnten nicht in einem Brief ausgedrückt werden.
„Ihre Zuneigung gehört einem anderen?“
„Natürlich nicht“, sagte sie ungeduldig.
Wie Alice nicht anders erwartet hatte, zuckte der arrogante Earl nur die breiten Schultern, die ein perfekt geschnittener schwarzer Gehrock umhüllte, den er zu einer modischen Weste aus silbernem Brokat und einem schneeweißen Hemd trug. Natürlich fehlte auch nicht das letzte I-Tüpfelchen, eine elegante Diamantnadel im kunstvoll gebundenen Krawattentuch. „Dann wüsste ich nicht, was morgen einer Hochzeit mit mir im Weg stehen sollte.“
Alice schnappte fassungslos nach Luft. „Sie wüssten nicht … Warum haben Sie um mich angehalten, Mylord, wenn es doch ganz offensichtlich ist, dass Ihnen nicht das Geringste an mir liegt?“
Warum? wiederholte Daniel in Gedanken. Weil er keine andere Wahl hatte. Weil der Tod seinem Vater den Sieg über seinen Sohn und Erben erbracht hatte, wenn er ihn zu seinen Lebzeiten auch nie errungen hatte. Es war ein Sieg, den Daniel in den vergangenen sechs Monaten mit all seinen Kräften zu vermeiden gesucht hatte. Doch jetzt musste er sich geschlagen geben, wenn er nicht wollte, dass sein Besitz aufgrund mangelnder Geldmittel verfiel.
„Mir ist bewusst, wie jung Sie noch sind, Alice, doch selbst Sie müssen in Ihren zwei Saisons gelernt haben, dass in unseren Kreisen die Ehe nur in den seltensten Fällen aus Liebe geschlossen wird“, sagte er spöttisch. „Andere Faktoren wie Vermögen, Land oder gesellschaftlicher Stand sind von weit größerer Bedeutung für eine Ehe als eine so zerstörerische Empfindung wie die Liebe.“
Alice hatte selbstverständlich erkannt, wie kalt und zynisch die Gründe für eine Ehe gemeinhin waren. „Trotzdem sehe ich nicht, welcher dieser drei Gründe Sie dazu veranlasst hat, um mich anzuhalten, Mylord“, warf sie ihm vor.
Der Earl seufzte gereizt. „Ich nehme an, als meine zukünftige Gattin haben Sie das Recht, meine Gründe für eine Heirat …“
„Sie nehmen an?“
Daniel nickte ungerührt. „Um es kurz zu fassen: Mein Vater in seiner unendlichen Weisheit …“, er verzog den Mund zu einem verächtlichen Lächeln, „hielt es für richtig, in seinem Testament das Vermögen des Earls of Stanford vom Erbe auszuschließen. Ich erhielt zwar das Gut und die Ländereien, werde die Hälfte des Vermögens allerdings nur unter der Bedingung erhalten, dass ich innerhalb eines Jahres nach dem Tod meines Vaters heirate, und die zweite Hälfte, wenn der zukünftige Erbe innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe geboren wird. Ansonsten fällt das gesamte
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