Historical Collection Band 03
Edelmann nach. Vielleicht gab es doch noch einige wahre Ritter auf dieser Welt. Wie schade, dass er sich selbst nicht dazu rechnen konnte. Entschlossen wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Bühne zu und hob eine Hand. „Einhundert.“
Hatte er den Verstand verloren?
Julia sah, dass Mrs B. sich heimlich die Hände rieb, als die Gebote begannen.
„Ich bitte Sie, Gentlemen“, rief die Frau. „Seien Sie nicht schüchtern. So eine hübsche Jungfrau wie die hier werden Sie eine ganze Weile nicht wieder zu sehen bekommen.“
„Einhundertfünfzig“, sagte der Gentleman, dessen Haare sich zu lichten begannen. Er war nicht weit von ihren entfernt und grinste sie anzüglich an. In seinem Blick lag etwas seltsam Unangenehmes – eine Art Gier. Er erinnerte Julia deutlich an ihren Mann. Ein eisiger Schauder lief ihr über den Rücken. Nicht er. Bitte, lass ihn nicht gewinnen.
Sie sah sich in dem verrauchten, schlecht beleuchteten Raum um auf der Suche nach einem freundlichen Gesicht.
„Einhundertfünfundfünfzig.“ Ein junger Mann. Ein Dandy so, wie er sich herausgeputzt hatte. Und fröhlich angesäuselt. Ja, den wollte sie haben. Ihr Herz begann heftig zu schlagen.
„Einhundertfünfundsiebzig“, kam es von weiter hinten. Dieses Mal war es ein recht junger Mann mit dunkelblondem Haar. Er saß lässig und ohne Begleitung an seinem Tisch und machte einen gefährlicheren Eindruck als alle, die Julia bisher gesehen hatte. Sein Aussehen musste kühn genannt werden mit seinem markanten Gesicht und dem grausamen Zug um die Lippen. In seinen hellen Augen konnte sie kein Gefühl lesen. Es war ihm offensichtlich nicht wichtig, ob er gewann oder verlor.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie konnte nicht den Blick nehmen von seinem schönen Gesicht. Das Gesicht eines gefallenen Engels. Den sinnlichen Mund hatte er zu einem spöttischen Lächeln verzogen. Sein durchdringender Blick begegnete ihrem, und einen Moment war ihr, als würde er ihr bis ins Innerste schauen, ihre geheimsten Ängste erkennen und sich daran erfreuen.
„Zweihundert.“ Eine barsche Stimme. Wieder der Kahlkopf.
Julia fixierte ihren Blick flehend auf den jungen Dandy. Der zuckte die Achseln.
„Dreihundert Guineas.“
Augenblicklich herrschte tiefe Stille.
Hastig drehte Julia den Kopf. Wer? Wer hatte geboten? Der alte Mann? Der gefallene Engel? Ein anderer? Ihr zitterten die Knie.
Ein Mann, eine Nacht, einhundert Guineas. Eine Nacht, und alles wäre vorüber und ihr Leben würde wieder sein wie vorher. Nur besser.
„Verkauft!“, rief Mrs B.
Wer hatte das Gebot gewonnen?
Mrs B. gab ihr ein Zeichen, hinunterzusteigen. „Warte auf der anderen Seite, bis das nächste Mädchen fertig ist. Dann bringe ich euch beide nach oben.“
Julia ging unruhig im Wartebereich hinter den Kulissen auf und ab. Einer dieser Männer hatte eine enorme Summe geboten, weil er sie für eine Jungfrau hielt. Ihr Mut sank. Wer immer er war, er würde wütend sein, wenn er herausfand, dass man ihn angelogen hatte.
Wenige Minuten später kam das andere Mädchen, gekleidet wie eine Sklavin, von der Bühne herunter. „Hier entlang“, sagte Mrs B. knapp.
Das Herz schlug Julia bis zum Hals. Die Knie drohten unter ihr nachzugeben, als sie die Treppe hinaufging. Es war zu spät umzukehren. Sie konnte nur noch nach vorn gehen. Unruhig wischte sie sich die Handflächen an der Tunika ab.
Im Flur, der von der Treppe abging, wies Mrs B. das andere Mädchen an, einen Raum einige Meter entfernt zu betreten.
„Hier“, wandte sie sich dann an Julia. „Du wirst deine Kleidung im Schrank finden, wenn es Zeit wird zu gehen. Halte Dunstan bei Laune, und ich werde dich über den vereinbarten Preis hinaus belohnen.“
„Dunstan? Sie meinen …“
„Den ‚Zügellosen Duke‘. Genau. Du wirst dir dein Geld mit ihm verdienen. Aber es wird sich auch für dich lohnen.“
Julia hatte Dunstan niemals zu Gesicht bekommen, aber sein Ruf, besonders lasterhaft zu sein, war allen jungen Damen eine Warnung gewesen. Selbst jene, die sich nur am Rand der guten Gesellschaft bewegten. Welcher von den Bietenden war er? Gewiss nicht der Dandy. Der alte Mann oder der gefallene Engel? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Wieder schlug ihr Herz wild. Was würde er sagen, wenn er entdeckte, dass man ihn getäuscht hatte? Sie schluckte mühsam.
Die Bordellwirtin gab ihr einen Schubs. „Geh schon.“
Tief einatmend trat sie ein. Die Tür schlug hinter ihr zu. Julia zögerte. Ein
Weitere Kostenlose Bücher