Historical Collection Band 5
bewusst wurde, wo sie sich befand.
Als ihr in den Sinn kam, dass der Seigneur jeden Moment heraufkommen konnte, kniete sie sich hastig wieder hin und griff nach Feuerstein und Zunder. Nach ein paar geübten Schlägen landete ein Funke auf dem Anzündholz, und eine kleine Flamme züngelte auf. Vorsichtig nährte sie das Flämmchen, bis ein prasselndes Feuer daraus wurde. Dann stand sie auf und wischte sich die Hände an der Wollschürze ab.
Und jetzt das Bett wärmen …
Giselles Blick wanderte vom Bett zum Kamin und wieder zurück. Wie sollte sie das anstellen? Auf der Suche nach einer Möglichkeit, wie sie diese letzte Aufgabe des Tages erfüllen sollte, sah sie sich im Gemach um. Schließlich fiel ihr Blick auf die Schüssel mit heißem Wasser. Wenn sie diese auf das Bett stellte, würde es zwar an einer Stelle warm werden, doch es bestand die Gefahr, etwas zu verschütten, und eine durchnässte Decke kam eindeutig nicht infrage. Dann sah sie zum Feuer. Sie könnte ein paar brennende Scheite in den metallenen Eimer legen und diesen auf das Bett stellen. Doch wenn Asche auf die weißen Laken fiel, würde es schwer werden, das Tuch jemals wieder sauber zu bekommen. Giselle schüttelte den Kopf. Es gab nur eine Möglichkeit.
Entschlossen packte sie die Enden der dicken Bettdecke und raffte sie zusammen. Sie versuchte, den riesigen Deckenberg in ihren Armen zu bergen und ging dann vorsichtig zum Kamin hinüber.
Genau in diesem Augenblick beschloss der junge Seigneur, sich in seine Gemächer zurückzuziehen.
„Was machst du denn da?“, rief Eustache verdutzt, als er erkannte, dass seine Zofe offenbar vorhatte, die Decken zu verbrennen.
„Mon seigneur!“ Aufgeschreckt wirbelte Giselle herum und hätte um ein Haar den Deckenberg fallen gelassen. „Vergebt mir. Ich war gerade dabei, Euer Bett zu wärmen.“
Als Eustache sie nur verwirrt anstarrte, trat Giselle nervös von einem Fuß auf den anderen. War sie zu weit gegangen?
„Nur noch eine Minute, mon seigneur “, versicherte sie.
Eustache kam näher und nahm ihr entschieden das große Bündel aus den Armen, ohne auf ihren Protest zu achten. Dann trug er die Decken zurück zum Bett und ließ sie achtlos darauf fallen.
„Ich glaube, du hast mich nicht verstanden“, sagte er brüsk. „Mein Bett zu wärmen hat nichts mit dem Verbrennen der Decken zu tun.“
Er warf einen Blick über die Schulter. Zwischen Giselles Brauen waren bezaubernde kleine Fältchen erschienen.
„Verstehst du es noch immer nicht?“, fragte er, deutlich verstimmt.
„Mon seigneur“ , murmelte Giselle und sank hastig in einen Knicks. „Bitte vergebt mir, wenn ich Euch verärgert habe. Ich wollte nicht …“
Eustache räusperte sich und unterbrach damit ihr Geplapper.
„Du hast mich nicht verärgert“, widersprach er und kniff sich in die Nasenwurzel. „Es ist einfach nur ein Missverständnis. Ich wünsche nicht, dass du mein Bett mit Kohlen oder Feuer wärmst.“ Wieder räusperte er sich. „Sondern mit …“ Er zögerte ein wenig unbeholfen, fuhr dann aber doch fort: „Mit deinem Körper.“
„Mit meinem Körper?“, wiederholte Giselle und legte den Kopf schief.
Dann begriff sie, und Röte schoss ihr in die Wangen.
„Ich verstehe“, murmelte sie.
Plötzlich war sie sich seiner Nähe nur allzu bewusst, seines brennenden Blicks auf ihrer Haut. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und stand hoch aufgerichtet vor ihr. Er schien größer und furchteinflößender denn je, und seine Miene war hart wie Stein. Doch dann erkannte Giselle noch etwas anderes in seinem Gesicht.
Es war nur ein flüchtiges Zucken der Mundwinkel, nur ein gespannter Muskel an seinem Kiefer. Während sie seine Miene aufmerksamer las, überdachte sie alles, was sie bisher über ihren Herrn wusste.
Er hatte versucht, sie aufzuhalten, als sie auf sein gefährliches Schlachtross zu gerannt war.
In der vergangenen Nacht hatte er ihr ebenso viel Lust geschenkt, wie er genommen hatte.
Am Morgen hatte er ihr Arbeit gegeben.
Und während des ganzen Tages hatte er sie mit Aufmerksamkeit überschüttet.
Sie beschloss, ihren Verdacht zu überprüfen, sie wollte herausfinden, was wirklich hinter der unnahbaren Fassade dieses grimmigen Kämpfers steckte.
Als ein schelmisches Lächeln auf Giselles Gesicht erschien, versteifte Eustache sich sichtlich. Langsam und mit wiegenden Hüften trat sie auf ihn zu. Dieser plötzliche Wandel brachte ihn aus der Fassung. Gerade war sie noch scheu und demütig
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