Historical Collection Band 5
neuen Pflichten: Betten machen, Böden wischen, die Kamine auskehren, dem Seigneur das Essen servieren, heißes Wasser in die Schlafgemächer bringen, nachts das Bett des Seigneurs wärmen.
Als ihre neue Welt endlich in ihrem Wirbel innehielt, war es beinahe Zeit für das Abendessen. Da Giselle nun ein paar freie Minuten für sich hatte, lief sie rasch zu den Pferdeställen hinüber. Sie suchte Bayard und fand ihn schließlich an einen Pfosten gebunden vor, während er darauf wartete, gestriegelt zu werden. Das große Schlachtross schnaubte zur Begrüßung und stupste sie mit der Nase an. Giselle lachte laut und streichelte sein weiches Maul.
Ein Schatten fiel über sie, und als Giselle sich umwandte, sah sie Eustache, der auf sie zukam. Sie drehte sich zu ihm um, ein spitzbübisches Lächeln auf den Lippen. Zur Antwort hob er langsam eine Braue.
„Mon seigneur“ , grüßte sie ihn und senkte respektvoll den Kopf.
„Hast du denn keine Angst, du könntest nach Pferd riechen?“, fragte er und trat zu ihr.
„Nein“, entgegnete sie. „Ihr etwa?“
Zwischen seinen Brauen bildete sich eine steile Falte, und er kam noch einen Schritt näher.
„Die meisten Frauen gehen nicht in die Ställe“, bemerkte er trocken.
„Und die meisten Seigneurs verkehren nicht mit ihren Zofen“, konterte sie.
Eustache beugte sich über sie, um nach Bayards Halfter zu greifen.
„Und glaubst du, ich sei wie die meisten Seigneurs?“, raunte er ihr zu.
Seine Worte waren kaum ein Flüstern, und sein Atem strich federleicht über ihre Wange. Giselle stockte der Atem, doch sie wich nicht zurück.
„Ich weiß noch nicht genug über Euch, um sicher zu sein“, antwortete sie atemlos.
Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und ließ sie langsam hinabwandern bis zur Rundung ihrer Gesäßbacken. Seine Berührung sandte Schauer ihren Rücken hinauf, und sie biss sich auf die Unterlippe, um ein Keuchen zu unterdrücken.
„Und würdest du gerne mehr lernen?“
Giselle war sicher, er könne das Hämmern ihres Herzens hören, doch seine Miene blieb unverändert, während er sie mit glühendem Blick ansah.
„Es kommt darauf an “ , antwortete sie langsam, „was Ihr mir zeigen wollt, mon Seigneur .“
Er trat einen Schritt zurück, und sie empfand das Fehlen seiner Wärme als Verlust.
„Wir werden sehen“, sagte er schlicht. „Aber ich glaube, auf dich wartet Arbeit im Speisesaal.“
Damit wandte er sich um, und Giselle hastete zur Küche, um sich bereit zu machen, ihm das Essen zu servieren.
Das Mahl musste eine furchtbar langatmige Angelegenheit gewesen sein, doch Giselle merkte kaum, wie die Zeit verflog. Überdeutlich war sie sich Eustaches glühender Blicke bewusst, die immerfort auf ihr ruhten. Sie genoss seine Aufmerksamkeit und zitterte leicht, als er beim Servieren der Speisen ihr Handgelenk berührte. Nach einem letzten sinnlichen Blick über die Schulter hatte sie den Speisesaal verlassen, um seine Gemächer für die Nacht vorzubereiten.
Als die Nacht sich allmählich über das Herrenhaus senkte, goss Giselle einen glitzernden Schwall kochend heißen Wassers in eine Schlüssel neben dem Bett des Seigneurs. Dann stellte sie den Eimer ab, den sie vor wenigen Minuten die steinerne Treppe hinaufgetragen hatte, trat an das große Fenster und atmete tief durch. Sie spähte hinaus und versuchte, das Land ihrer Familie auszumachen, doch es war bereits so dunkel, dass sie nur noch die sanfte Hügelkette in der Ferne erkennen konnte.
Ihr Atem kondensierte an der Scheibe, und sie wischte über das Glas, um es zu säubern. Dann wandte sie sich vom Fenster ab und ging zum Kamin hinüber. Es wurde bereits kühl im Raum, und sie musste rasch ein Feuer in Gang bringen. Während sie sich hinkniete, um die alte Asche aus dem Kamin zu kehren, fragte sie sich, was ihre Eltern wohl gerade taten. Hatte ihre Mutter für ihren abendlichen Eintopf Kräuter im Garten gesammelt? Bestimmt hatte die gute Nachricht von der neuen Stellung ihrer Tochter sie inzwischen erreicht, und vielleicht feierten sie bei einem Glas Ale?
Lächelnd beendete Giselle ihre Arbeit und erhob sich dann. Mit dem Handrücken strich sie sich über die Stirn und stellte sich vor, wie ihre Eltern an dem alten Holztisch in ihrer Hütte beisammensaßen, während der Schein des Feuers in ihrem Kamin alles in sein flackerndes, warmes Licht tauchte. Es war eine schöne, freundliche Vorstellung, und die Heimat schien ihr plötzlich sehr weit entfernt, als ihr wieder
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