Historical Exclusiv 45
schlug heftig, und er fand keine Worte. Die Aussicht auf Tulleys Dokument baumelte vor seiner Nase wie eine Karotte vor einem störrischen Maulesel.
Tulley beugte sich vor. „Dieses Dokument gibt Euch das Geburtsrecht“, flüsterte er. „Dieses Dokument löscht den Makel der illegitimen Geburt, Yves de Saint-Roux. Seid mir zu Diensten und es gehört Euch.“
Legitimität! Er hatte niemals gewagt, daran zu denken. Die hochwohlgeborenen Gäste des Herzogs hätten kein Recht mehr, die Nase über das Geburtsrecht des herzoglichen Marschalls zu rümpfen.
Der Herzog hatte zwar wiederholt erklärt, dass für ihn die ritterlichen Tugenden allein ausschlaggebend seien, doch Yves wusste, dass die Missachtung aufgrund seiner illegitimen Geburt auch seinen Herren traf. Dieses Dokument konnte jede Schmach hinwegfegen, die er ohne eigenes Zutun dem Mann brachte, dem er so viel verdankte.
Der Comte streckte sich, ein Lächeln umspielte seine Lippen in dem Bewusstsein, dass er sein Wild erfolgreich in die Enge getrieben hatte. „Alles, was Ihr tun müsst“, setzte er leise fort, „ist, Perricault von Philippe de Trevaine zurückzuerobern.“
Plötzlich schoss Yves der Gedanke durch den Kopf, dass Tulley dieses Dokument schon lange besaß und bis zum heutigen Tage nichts davon erwähnt hatte. Der Graf hatte ihn dem wechselhaften Schicksal des Lebens ausgeliefert, bis es dem alten Schurken gefiel, aufzudecken, was er besaß.
Doch der raffinierte Tulley war schon immer auf den eigenen Vorteil aus gewesen.
Wer konnte wissen, was er sonst noch im Schilde führte? Würde der durchtriebene Comte immer weiter die Bedingungen ändern, die nötig waren, um an das Dokument zu gelangen?
Und was stand wirklich darin? War es echt? Vielleicht hatte Tulley noch ein anderes Schriftstück in seinem Besitz, das den Inhalt des ersten widerrief!
Eines war klar – sobald er in seinem Netz gefangen war, kam er nie wieder von dem alten Mann los. Die Fäden würden dichter und dichter, bis er eingesponnen war wie eine Fliege im Spinnennetz.
Nein, er würde nicht in den Sümpfen der Vergangenheit versinken, nur um Tulleys Willen eigen zu sein. Dieser Auftrag roch nach Laune, von Gefühlen allein getroffen, und solche Entscheidungen waren oftmals zum Scheitern verurteilt. Er war ein Mann, der zu viel Verstand besaß, um nach Tulleys Köder zu schnappen.
Gelassen stellte Yves den Weinbecher ab und erhob sich langsam. Des Grafen Augen glänzten in der Gewissheit des Sieges, und sein Lächeln wurde stärker.
„Ich lehne Euer Angebot ab.“
Dem Comte blieb der Mund offen stehen, und er sah den Ritter erstaunt an. „Was soll dies?“
Yves kreuzte die Arme vor der Brust. „Mit allem Respekt, ich lehne ab.“
„Doch, doch …“, stotterte Tulley zornerfüllt. „Ihr müsst doch Euer Geburtsrecht wollen! Welcher Mann von Verstand würde dies ablehnen?“
Yves schüttelte den Kopf. „Nicht zu Eurem Preis.“
„Ihr seid von Sinnen!“ Er streckte die Arme aus. „Ich dachte, Ihr seid ein Mann, der seine fünf Sinne beisammen hat!“
„Umso mehr ein Grund, eines Narren Auftrag für ungewissen Lohn abzulehnen.“
Der Graf starrte den Ritter an, sein Atem ging schwer, und rote Flecken zeigten sich auf seinen bleichen Wangen. Er hatte sich aufgerichtet und stieß mit dem Stock in die Luft, sodass er Yves beinahe damit getroffen hätte.
„Undankbarer Bastard! Ich hätte solch Unverschämtheit erwarten sollen.“ Seine Augen wurden schmal, und seine Stimme erstarb zu einem heiseren Flüstern. „Ihr werdet dies eines Tages noch bedauern.“
Er wartete, aber der Ritter hielt seinen Blicken stand. Was sollte der alte Graf ihm antun können? Er war außerhalb seines Machtbereichs. Sein Gesichtsausdruck verriet ihm, dass Tulley diese Wahrheit auch erkannt hatte.
Dann drehte sich der alte Mann um und verließ mit einem bösen Schnauben das Zelt. Seine herrische Stimme erklang wesentlich gereizter als zuvor.
„Didier! Wir verlassen sofort diesen Ort! Didier! Folge mir umgehend!“
Noch lange nachdem er seinen Becher geleert und zu seinem Stuhl zurückgekehrt war, spukte die Erinnerung an Annelise in seinem Kopf herum. Schweigen erfüllte das Zelt, der Lärm der Kampfbahn drang nur gedämpft, wie aus einer anderen Welt, herein. Yves versuchte erneut, die Vergangenheit in einen entlegenen Winkel seiner Gedanken zurückzudrängen, wohin sie gehörte.
Annelise war tot. Sayerne war an seinen älteren Bruder Quinn gefallen und wurde zweifellos
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