Historical Exclusiv 45
abgrundtiefe Enttäuschung überwältigte sie. Ihre Fäuste schlugen immer schwächer gegen die Tür.
Thomas! Wie fürchterlich für ihn, sie nur für wenige Augenblicke zu sehen, um dann erneut von ihr fortgerissen zu werden. Ihr Zorn ließ langsam nach, sie sank zu Boden und vergrub das Gesicht in den Händen.
Welches Debakel hatte diese Nacht gebracht! Ihr Sohn wurde erneut von ihrer Seite gerissen. Und ein schreckliches Schicksal erwartete Yves, dessen war sie sich sicher. Bitterkeit stieg in ihr auf bei dem Gedanken an den Ritter, der sein Leben verlor, um für ihre Sache zu streiten.
Alles war ihre Schuld. Zu spät erkannte sie nun, dass sie zu viel Vertrauen in die Ehrenhaftigkeit des Kampfes gesetzt hatte. Philippe, das war klar, stellte solche Überlegungen nicht an.
Sie musste sich mit ihm vermählen, damit sie das, was sie liebte, vor seiner Bosheit schützen konnte.
Das war ein quälender Gedanke.
Wie würde ihre Zukunft aussehen, wenn sie sich dem Willen eines solchen Mannes beugte? Philippe würde ihr – oder Thomas – immer mit dem Tode drohen, wenn er etwas wollte.
Ihr Leben wäre eine wahre Hölle.
Was sollte sie tun?
Was konnte sie tun?
Sie sah zu Gaston und wischte sich nachdenklich ihre Tränen ab.
Jetzt wollte sie erst einmal dem Knappen helfen. Sie beugte sich über den reglosen Körper und vernahm ermutigt seinen schwachen Atem.
Er war am Leben! Und er war gekommen, um ihr ritterlich beizustehen. Gabrielle besah sich vorsichtig die Größe der Beule an seinem Kopf.
Der mutige Knappe gereichte dem Ritter zu Ehren, dem er diente. Sie musste an Yves denken und hoffte, obwohl es aussichtslos schien, dass er Philippes Plan durchkreuzte und so diese schreckliche Nacht überlebte.
Sie war dessen gewiss, denn Yves de Saint-Roux hatte sie mehr als einmal überrascht. Vielleicht konnte er auch Philippe überraschen.
Gabrielle konnte nur beten, dass dem so sei.
10. KAPITEL
D ie Flammen, die das Lager verzehrten, warfen ein dämonisches Licht auf Seymour. Seine Herausforderung war gerade verklungen, und seine Augen funkelten blutdürstig dem Zweikampf entgegen.
„Wenn Euch der Treueid nichts bedeutet, warum dient Ihr dann Philippe de Trevaine mit solcher Ergebenheit?“, verlangte Yves zu wissen.
De Crecy lachte. „Weil wir zwei von der gleichen Art sind“, gab er zu. „Er weiß, was ich vom Leben begehre, und belohnt mich entsprechend.“
„Womit?“
„Gold!“ Schon bei dem Gedanken glänzten seine Augen. „Und wenn er diesen Kampf gewonnen hat, dann werde ich Besitz und Titel mein Eigen nennen. Niemand – niemand – wird jemals wieder Seymour de Crecy für unwürdig befinden!“
„Welchen Kampf?“, wollte Yves wissen, als die beiden begannen sich zu umkreisen.
Der Söldner grinste. „Philippe wird der nächste Comte de Tulley. Die Geheimnisse, die dieser niederträchtige alte Schurke in seinem Schrein verwahrt, werden einen einfallsreichen Mann wie Philippe über Jahre mit gewissen Möglichkeiten versorgen.“
Seymour lachte, er wusste nicht, dass auch ein Geheimnis von Saint-Roux in jener Truhe verschlossen lag. Yves fand es abscheulich, dass jemand diese Geheimnisse benutzen konnte, um eigene Vorteile daraus zu ziehen. Dieses Verhalten war noch verachtenswerter als Tulleys, der sein Wissen benutzte, um Menschen seinem Willen gefügig zu machen.
„Philippe wird Erfolg haben, und ich … ich werde seine rechte Hand bei allem sein.“
Der Chevalier umfasste sein Schwert und machte einen Schritt vorwärts, er wusste, dieses Mal würde er den tödlichen Streich mit Freude führen.
„Und was ist mit Madame de Perricault? Welche Pläne hat Philippe mit ihr?“
„Er wird sich mit ihr vermählen, was sonst? Um seine Hoheitsrechte über Perricault zu sichern und um jeden Widerspruch von Tulley verstummen zu lassen, bis seine Zeit gekommen ist.“
Yves’ Magen zog sich zusammen. „Und wenn die Dame nicht willig ist?“
De Crecy lachte derb. „Sie wird keine andere Wahl haben. Ich selbst würde sie an den Bettpfosten festbinden, um dafür zu sorgen, dass der Wille meines Herrn vollzogen werden kann.“
Yves’ Innerstes krampfte sich erneut zusammen, als er daran dachte, dass Gabrielle vielleicht solch ein Schicksal bereits erdulden musste. „Was wird aus dem Jungen?“
Der Söldner lachte höhnisch. „Er ist ein gutes Werkzeug, bis das Weib meinem Herrn einen Sohn gebärt.“
Bittere Galle stieg in Saint-Roux auf. „Und dann?“
„Ist Philippes Erbe
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