Historical Exclusiv 45
verlangte.
Auch wenn der Vollzug ihrer Ehe alles war, wonach sie sich sehnte. Würde Yves sie dazu drängen?
Ihre Gedanken ließen Gabrielle schuldbewusst zu Thomas blicken. Der Knabe war augenscheinlich müde geworden, doch immer noch lächelte er fröhlich über die Possen der fahrenden Sänger. Er musste die leidenschaftlichen Küsse zwischen ihr und Yves mit angesehen haben, aber er schien davon erstaunlich unberührt.
Sie beugte sich über den Jungen, und er blickte zu ihr auf, als sie die Hand auf seine Schulter legte. „Macht es dir etwas aus, dass du einen neuen Vater hast?“, fragte sie leise.
Thomas sah zu dem Ritter, als ob er ihn einschätzen wollte, dann wieder zu seiner Mutter. Sein Blick war klar, als er den Kopf schüttelte.
„Willst du mit mir darüber reden?“, fragte sie zärtlich.
Er sah sie lange an, dann schüttelte er erneut den Kopf und wandte sich erneut den Darbietungen der Gaukler zu. Gabrielle richtete sich wieder auf, besorgt runzelte sie die Stirn.
Warum sprach er nicht?
„Bist du schläfrig?“, fragte sie.
Thomas schüttelte den Kopf, obwohl das offenbar nicht der Wahrheit entsprach. Sie war jedoch ermutigt, dass er nichts von den Festlichkeiten verpassen zu wollen schien.
„Kommst du trotzdem zu mir, um mich zu wärmen?“, drängte sie und war erfreut darüber, dass ihr Sohn sofort auf ihren Schoß kletterte, wie er es so oft zuvor getan hatte.
Immer noch blieb er stumm.
„Wie gefallen dir die Gaukler?“, fragte Gabrielle und hoffte auf Antwort.
Doch der Knabe lachte sie nur an, dann kuschelte er sich näher an sie heran, ohne dabei die Augen von den Possenreißern abzuwenden. Er schien nicht im Geringsten unglücklich zu sein, noch viel weniger wirkte er verängstigt, warum also weigerte er sich zu sprechen?
„Habt keine Sorge, Madame“, flüsterte Yves ihr ins Ohr, sein Atem streifte ihre Wange dabei auf sehr erregende Art. Er hielt die Stimme gesenkt, offenbar damit Thomas ihn nicht hörte. „Er wird wieder sprechen, wenn er dazu bereit ist, und nicht früher.“
Sie blickte ihren neuen Gemahl an und sah Mitgefühl in seinen Augen. „Das ist so ungewohnt von ihm“, wisperte sie. Dabei beugte sie sich näher zu Thomas. Im Gegensatz zu seiner Behauptung fielen dem Jungen bereits die Augen zu, jetzt, da er in ihren Armen lag. „Er war immer ein sehr redseliges Kind.“
„Doch das war, ehe sich plötzlich alles um ihn herum verändert hatte“, erwiderte Saint-Roux ruhig. Mit großer Zärtlichkeit legte er seinen Arm um ihre Schultern, und Gabrielle fühlte, dass sich Wärme in ihrem ganzen Körper ausbreitete. „Es wird einige Zeit dauern, bis er begriffen hat, dass er nicht allein und Perricault wieder sicher ist.“
Gabrielle strich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht ihres Sohnes und fragte sich, ob Yves recht hatte. Die Worte des Ritters erinnerten sie an seine Erzählung über die Einsamkeit in seiner eigenen Kindheit. Sie wusste deshalb, dass das Verständnis für Thomas seiner Erfahrung entsprang.
„Glaubt Ihr wirklich, dass sein Vertrauen wiederkehren wird?“, fragte sie besorgt, ohne richtig zu bemerken, wie bereitwillig sie diesem Mann ihre Sorgen anvertraute.
Er lächelte zuversichtlich. „Die Zeit heilt viel, Madame, wie das auch Eure Gabe tut, ohne Vorurteile zuzuhören.“ Er nickte zu dem schlummernden Thomas hin. „Er lächelt bereits.“
Das entsprach der Wahrheit. Doch trotz Yves’ überwältigendem Lob über ihre eigene Begabung vermutete Gabrielle, dass es des Ritters ruhige besonnene Art sein würde, die Thomas’ Vertrauen in die Welt wiederherstellen würde.
Er war ein Mann, der ihr Herz erobern konnte.
Als sie ihren Sohn im Schlaf betrachtete, wurde sie sich schmerzlich der Gegenwart des Ritters neben ihr bewusst, und sie hoffte inständig, dass sie Yves so bezaubern konnte, dass sie nicht nur sein Vertrauen erringen würde.
14. KAPITEL
V ierzehn Tage nach seiner Vermählung fühlte sich Yves ratlos.
Immer noch.
Sein Gelübde war höchst beschwerlich einzuhalten. Als Gabrielle ihn mit solcher Hingabe in der Halle geküsst hatte – und noch dazu vor so vielen Zeugen! –, waren seine Gefühle durch das unerwartete Feuer ihrer Erwiderung noch stärker entfacht worden.
Das machte es noch schwerer, sein Gelöbnis zu halten. Er hatte seine ganze Entschlossenheit aufbieten müssen, um seine Gemahlin im Schlafgemach allein zurückzulassen, nachdem der Geistliche das Bett gesegnet hatte. Schon der Anblick des
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