Historical Exclusiv 45
Auge auf den Ritter gerichtet, schob das Ross seine Nüstern erneut in den Futtertrog. Yves tätschelte das Tier, und es machte keine Anstalten, sich wegzubewegen.
Tatsächlich schien es, als würde er sich seinem Streicheln entgegendrücken.
Der Chevalier unterdrückte ein Lächeln, griff nach der Bürste und begann, den Hengst zu striegeln. Er pfiff durch die Zähne und setzte sein Selbstgespräch fort, denn er wusste, dass die kleinen Ohren aufmerksam lauschten.
„Ah, Methuselah, du wirst fett werden, wenn du den ganzen Tag im Stall verbringst“, schimpfte Yves mit besänftigender Stimme, wie er es immer tat, wenn er mit Pferden sprach. Es war nicht wichtig, was er sagte, nur dass er mit den Tieren sprach, sie striegelte und ihr Vertrauen gewann, ehe er sie zu reiten versuchte. Er würde trotz allem eine ungewohnte Last sein, und dieses Ross war nicht weniger schlau als Merlin.
„Was du brauchst, ist ein ausgedehnter Ritt über das Land und durch die Wälder. Leider gibt es niemanden außer mir, der dich reiten kann.“
Methuselah warf dem Ritter einen argwöhnischen Blick zu, sodass dieser beinahe laut gelacht hätte.
Er zuckte die Achseln. „Es ist wahr, traurigerweise wahr. Xavier hat viel zu viele Pferde, um die er sich kümmern muss, und wir haben viel zu wenig Ritter. Obwohl ich mein Bestes tue, um diesem Missstand abzuhelfen, doch alles braucht seine Zeit.“
Er strich dem Tier nochmals über den Rücken und endete wortreich: „Und meine Gemahlin Gabrielle hat dieser Tage so viele Dinge zu tun, denn die Burg wurde für lange Zeit schlecht verwaltet.“ Er schüttelte den Kopf mit gespielter Traurigkeit. „Nein, mein Freund, ich fürchte, wenn du Auslauf haben willst, bin ich der Einzige, der dafür infrage kommt.“
Die Nüstern des Hengstes bebten, und er tänzelte unruhig in seinem Stand herum.
Yves entschloss sich, dieses Verhalten als Zustimmung zu werten.
„Nun gut, es ist beschlossen!“ Er rieb sich die Hände und fragte sich plötzlich, ob er wohl Thomas dazu bringen konnte, mit ihm zu reiten. Eine Abwechslung in der Umgebung konnte dem Knaben nur gut tun.
Zuerst musste er Thomas dazu bringen hervorzutreten.
„Und welche Decke würdet Ihr bevorzugen, Master Methuselah?“, fragte Yves grübelnd, denn er war sicher, wenn er nur lange genug redete, fühlte der Junge sich genötigt, eine Antwort zu geben.
Nichts dergleichen geschah, obwohl er hörte, wie das Heu im nächsten leeren Stand raschelte.
„Diese hier scheint mir die Richtige.“ Erneut pfiff er durch die Zähne, wählte eine Decke aus und breitete sie über den Rücken des Hengstes. „Nun, wie gefällt dir das?“
Methuselah warf ihm einen verschlagenen Blick zu und stemmte die Hufe auf den Boden. Zu spät erinnerte sich Yves daran, dass das Tier in dem Ruf stand, das Anlegen des Sattels zu verwehren.
Kein Pferd hatte ihm je widerstanden, gleichgültig wie willensstark das Tier war, und Michels Ross sollte nicht das Erste sein.
„Du hast eine Halteleine nötig“, bemerkte er sanft und wusste sich den unheilvollen Blick des Tieres nicht zu erklären, als er ihm das Zaumzeug angelegt hatte. Er band die Zügel kurz und warf dem Ross einen entschlossenen Blick zu, ehe er weitermachte.
„Und nun den Sattel.“ Yves legte den Sattel auf und beugte sich rasch, um den Riemen zu schließen.
Doch Methuselah blähte seinen Bauch so gewaltig auf, dass sich der Sattelgurt nicht schließen ließ. Es schien, als hätte Gaston tatsächlich die Wahrheit gesagt.
„Welch Überraschung“, murmelte er stirnrunzelnd. Methuselah hielt den Atem gehörig an. „Deine Herrin sagt, man muss dich überrumpeln, um den Gurt zu schließen, aber ich erinnere mich nicht, was sie meinte.“
Ehe er über die Angelegenheit weiter nachsinnen konnte, huschte eine kleine Gestalt herbei. Thomas duckte sich mit unerwartetem Mut unter das große Ross. Seine Augen funkelten ausgelassen, als er nach oben fasste und Methuselah fest zwischen die Rippen stieß.
Das Tier wieherte wütend auf.
Yves sah, wie es einen Fuß hob, und sein Herz drohte vor Entsetzen stehen zu bleiben. Er sprang unter das Streitross, packte den erstaunt dreinblickenden Jungen und riss ihn hoch, ehe Methuselah seinen Huf genau an der Stelle zu Boden donnern ließ, wo der Knabe eben noch gestanden hatte.
Thomas rang nach Atem und umklammerte Yves’ Hals, als der graue Hengst vor Zorn mit den Hufen um sich schlug. Der Chevalier zog sich mit dem Jungen so weit zurück, bis er
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