Historical Exclusiv 45
handelst?“
Ketil warf Orn einen unsteten Blick zu, schwieg aber.
„Ketil hat mit mir gesprochen, Orn.“ Der mit der Zahnlücke trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. „Wir wollen keine Scherereien. Du weißt, was Rorik über Streitereien in der Mannschaft gesagt hat, wenn wir auf Fahrt sind.“
Othar schnaubte verächtlich. „Hör auf zu winseln, Gunnar.“ Er stürmte los und versetzte Orn einen derben Schlag vor die Brust. „Geh mir aus dem Weg, Graubart. Ich zeige dir, wie man diesen Weibern Beine macht.“
„Das bezweifle ich“, knurrte Orn, ohne von der Stelle zu weichen. „Wenn ich du wäre, Othar, würde ich mich nicht zu sehr auf den Schutz deines Bruders verlassen. Wie ich der Lady sagte …“
„Lady? Ich sehe keine Lady.“ Othar stieß den alten Mann zur Seite, packte Yvaine am Zopf und riss ihr den Kopf hoch. „Sie ist eine Sklavin, die Respekt vor ihrem Herrn lernen muss. Hast du verstanden, Weib?“
Sie bedachte ihn mit einem kalten Blick. „Du bist nicht mein Herr. Und ich bin keine Sklavin.“
Missbilligend schnalzte Othar mit der Zunge. „Wenn Rorik mit dir fertig ist, bist du nichts weiter als eine dreckige Sklavin. Und dann bin ich an der Reihe. Zweifelst du daran?“ Er grinste böse. „Ich beweise es dir.“
Er schlang sich den Zopf um die Faust und beugte sich über sie. Doch Yvaine wehrte sich bereits, holte weit aus und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. Im gleichen Moment wurde ihr Zopf losgelassen.
Othar wurde mit einem heftigen Ruck nach hinten gerissen, so dass Yvaine fast das Gleichgewicht verlor. Sie erhaschte einen kurzen Blick in Roriks wutentbranntes Gesicht, bevor seine Faust in Othars Magen fuhr.
Der Bursche klappte vornüber, sackte in die Knie und übergab sich. Rorik hatte sich bereits den anderen zugewandt. „Bring die Frauen aufs Boot“, fuhr er Orn an.
„Und ihr zwei geht mit ihm! Ein einziges Wort von euch und ihr bleibt hier als Beute für die Dänen.“
Weder Ketil noch Gunnar erhoben Widerspruch.
Zitternd griff Yvaine nach Annas Hand, wurde aber jäh fortgerissen, ehe sie wusste, wie ihr geschah. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, zog Rorik sie an seine Seite. „Steh auf!“, befahl er seinem Bruder.
Taumelnd kam Othar auf die Füße. „Das wird dir noch leidtun, Rorik. Wenn unser Vater davon hört …“
„Halt den Mund!“
Othar schwieg mit finsterer Miene.
„Ich habe mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt“, fuhr Rorik eisig fort. „Lady Yvaine ist keine Sklavin. Und du benimmst dich ihr gegenüber höflich. Nun entschuldige dich bei ihr.“
„Ich soll mich …“
Othar sah die geballte Faust seines Bruders und schluckte. Er schob die Unterlippe vor. „Verzeiht, Lady .“
Yvaine nickte abwesend. Othar war die geringste ihrer Sorgen. Als der Halbwüchsige kehrtmachte und zum Schiff stapfte, vergaß sie ihn augenblicklich. Die Gefahr war dicht neben ihr. Die Gefahr in der Maske des Beschützers.
Sie entwand ihm ihren Arm und wich zurück. „Euer Bruder hat sich entschuldigt, wenn auch widerstrebend. Ich warte noch immer auf Eure Entschuldigung.“
Er warf ihr einen wütenden Blick zu. „Ihr habt einen befremdlichen Sinn für Humor, Lady.“
„Dann könnt Ihr Euch über meine nächsten Worte totlachen. Ich verlange meine sofortige Freilassung gegen Lösegeld.“
„Soll ich Euren Vetter herzaubern?“
„Schickt ihm einen Boten.“
„Und ich soll hier auf Antwort warten, wie?“ Er packte sie am Handgelenk, machte auf dem Absatz kehrt und zog sie hinter sich her zum Schiff. „Wenn ich nicht alle Hände voll zu tun hätte mit den Scherereien, die Ihr mir macht, würde ich mich tatsächlich totlachen.“
„ Ich mache Scherereien?“ Ihre Stimme überschlug sich vor Empörung. „Was kann ich dafür, wenn Euer dummer Bruder …“
Er blieb jäh stehen, und sie prallte gegen ihn. Fluchend trat er einen Schritt zurück. „Was erwartet Ihr eigentlich von ihm oder den anderen, wenn Ihr in diesem Aufzug herumrennt? Seht auch doch an! Ein Wams, das Euch ständig von der Schulter rutscht. Enge Beinkleider wie eine zweite Haut. Bei den Göttern! In Norwegen würdet Ihr geächtet werden, rumzulaufen wie ein Mann.“
„Ich habe nicht darum gebeten, entführt zu werden“, schrie sie, während sie versuchte, seine Hand abzuschütteln. „Wenn es Euch nicht passt, wie ich gekleidet bin, dann lasst mich endlich frei. Mir wäre nichts lieber, als Euch von hinten zu sehen.“
Mit einem wilden Fluch
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