Historical Exclusiv 45
Willen durchgesetzt hatte.
Oder etwa nicht?
Zwei dumpfe Aufschläge sagten ihr, dass Rorik die Stiefel ausgezogen und von sich geschleudert hatte. Sie kroch unter das Bärenfell und lag still, wagte kaum zu atmen, als er neben ihr ins Bett stieg.
Es verging eine lange Zeit in völliger Stille. Sie überlegte krampfhaft, was sie sagen könnte, um die eisige Spannung zwischen ihnen zu lösen. Eine Bemerkung darüber, dass Rorik seine Hosen anbehalten hatte, wäre vermutlich nicht sehr klug gewesen. Es war auch nicht empfehlenswert zu fragen, wie lange er ihr Aufschub gewähren wollte.
Sie drehte den Kopf. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, und sie konnte im fahlen Schein, der durch die Fensteröffnung drang, Roriks ausgestreckte Gestalt auf der anderen Seite des Bettes erkennen. Er hatte die Hände hinter dem Kopf gefaltet, aber seine Haltung war keineswegs entspannt.
„Rorik?“, fragte sie zaghaft.
„Yvaine, ich habe eine verdammt unangenehme Nacht vor mir.“ Seine barsche Stimme zerschnitt die Stille. „Hör auf, meine Geduld auf die Probe zu stellen.“
Yvaine lag reglos in der angespannten Stille. Schuldgefühle nagten an ihr und das Unbehagen, nicht alle Konsequenzen bedacht zu haben, wenn sie Rorik die ehelichen Rechte verweigerte. Aber wie sonst sollte sie sich vor ihm schützen? Wie könnte sie sich ihm hingeben und ihr Herz verschließen, wo sie ihn doch liebte?
Diese quälende Frage blieb unbeantwortet, als der Schlaf der Erschöpfung sie übermannte.
Sie erwachte wie jeden Morgen in den vergangenen fünf Jahren: angespannt, furchtsam, alarmiert.
Und das aus gutem Grund. Als sie die Augen aufschlug, sah sie Rorik, der sie aufmerksam beobachtete. Er lag ihr zu gewandt, keine Armlänge entfernt. Im frühen Morgenlicht glitzerten seine Augen wie Eiskristalle.
Sie hielt seinem forschenden Blick stand, in der bangen Hoffnung, er würde den jagenden Pulsschlag an ihrem Hals nicht bemerken.
Eine vergebliche Hoffnung. Er hob die Hand und strich ihr eine Haarsträhne von der Wange. „Du schaust mich an, als wäre ich ein Ungeheuer.“
„Nein“, flüsterte sie. „Das betrifft nicht Euch. Das habe ich mir in Selsey angewöhnt.“
„Du hast also keine Angst vor mir?“
„Nein. Eigentlich … nicht.“
„Gut.“ Der Anflug eines Lächelns erhellte seine Züge. Er richtete sich halb auf den Ellbogen gestützt auf, nahm eine Haarlocke und wand sie sich um die Finger.
Yvaine machte eine unbedachte Bewegung, um Abstand zu gewinnen, und fand sich auf dem Rücken liegend, Rorik über sie gebeugt. Sie blinzelte verwirrt, fragte sich bang, wieso sie sich in diese bedenkliche Position bringen konnte. Sie war zwar erleichtert, dass Roriks Zorn verraucht war, aber für einen Mann, dessen Hochzeitsnacht anders verlaufen war, als er geplant hatte, wirkte er erstaunlich zufrieden.
Fragend zog sie die Brauen hoch. „Gut? Was meint Ihr damit?“
„Nun ja, um mich besser kennen zu lernen, ist ein gewisses Maß an Vertraulichkeit nötig. Das wäre schwierig, wenn du Angst vor mir hättest. Zur Vertraulichkeit gehört aber auch, dass du endlich aufhörst, mich so förmlich anzureden.“
„Vertraulichkeit?“, flüsterte sie. „Aber …“ Sie konnte nicht weitersprechen, ihr Mund war ausgetrocknet. Wieso eigentlich?
„Halt!“, befahl sie, als er sich vorbeugte, als wolle er sie küssen. Sie stemmte ihre schmale Hand gegen seinen Brustkorb und geriet in Atemnot. Hitze durchströmte sie und das Verlangen, sich an ihn zu schmiegen.
„Versucht nicht, mich zu verführen“, warnte sie ihn.
„Ich denke nicht im Traum daran“, raunte er mit einem sündigen Funkeln in den Augen. „Aber selbst wenn, kannst du immer Nein sagen.“
Sie beäugte ihn argwöhnisch. „Und dann hört Ihr auf?“
„Ja, ich höre auf. Vorausgesetzt, du entschließt dich endlich zum vertraulichen ‚Du‘.“ Seine Finger spielten immer noch mit ihrer Locke, als er sich vorbeugte und seinen Mund auf ihre Lippen legte.
Prickelnde Wonneschauer durchrieselten sie. Sein Kuss war eine süße Verführung. Etwas in ihr schmolz, öffnete sich bebend. Sie wollte tief in die Matratze versinken, unter seinem Gewicht begraben sein. Sie sehnte sich danach, dass er ihre Lippen mit der Zunge öffnete. Nicht mit der Heftigkeit jener Sturmnacht, sondern wie beim ersten Mal am Strand, als er sie behutsam erkundet und von ihr gekostet hatte. Zaghaft und ängstlich erwiderte sie den Druck seiner Lippen. Er neigte den
Weitere Kostenlose Bücher