Historical Exclusiv 45
Kopf seitlich, sein Mund strich den Schwung ihrer Lippen entlang, verleitete sie, seine Liebkosung zu erwidern. Sie vergaß die Zeit, ließ sich in den süßen Wonnen treiben, die sein Kuss in ihr auslöste. Und wieder schwoll ein befremdliches Sehnen in ihr.
Er löste die Lippen von ihr und blickte mit verhangenen Augen auf sie herab.
Yvaine schluckte und wusste nicht, was sie sagen sollte. Das harte Klopfen seines Herzens unter ihrer flachen Hand hatte ihr Denkvermögen benebelt.
Doch dann war es dieser Rhythmus, der sie wieder zur Vernunft brachte. Sein Herz schlug zu schnell, zu hart.
„Es ist heller Tag“, brachte sie schließlich hervor, und ihre Stimme klang, als wolle sie ein scheues Tier besänftigen, nicht ein gefährliches Ungeheuer in Zaum halten. „Es ist … ich denke … wir sollten aufstehen …“, stammelte sie zusammenhanglos.
„Niemand erwartet von uns, dass wir mit dem Gesinde aufstehen.“
„Nein, aber …“ Sie zog sich zurück, krümmte die Finger um die prickelnde Innenseite ihrer Hand. „Dabei … fällt mir ein … was habe ich eigentlich zu tun?“
„Solange Gunhild die Herrin im Haus ist, hast du Zeit, dich an deine neue Umgebung zu gewöhnen. Wenn sie einmal fort ist, übernimmst du ihren Platz und kannst schalten und walten, wie es dir gefällt – solange du keine Dummheiten machst.“
Sie nahm keine Notiz von seiner letzten Bemerkung, wünschte, sie könnte gleichfalls keine Notiz nehmen von seiner Hand, die beinahe … beinahe … ihre Brustspitze streifte, während er die Finger aus ihrem Haar löste. „Willst du sie fortschicken?“
„Ich werde sie gut versorgen, aber ich will nicht, dass sie im selben Haus wohnt wie du.“
„Aha.“ Sie dachte darüber nach. „Und Othar? Willst du auch ihn fortschicken?“
„Vielleicht“, antwortete er zerstreut und beobachtete, wie die Locke sich kringelte, sobald sie losgelassen war, griff erneut danach und zog sie wieder glatt. „Er braucht eine vernünftige Beschäftigung.“
„Ist das der Gr…?“
Das Wort blieb ihr im Hals stecken, da seine Knöchel beiläufig ihren Busen streiften und ihre Brustknospe sich prickelnd zusammenzog. Die Berührung war so flüchtig, dass sie nicht wusste, ob er sie beabsichtigt hatte. „Ist das der Grund, warum er Norwegen verlassen musste? Um ihn zu beschäftigen?“
Roriks Hand hielt inne, während er sie anschaute. „Du scheinst plötzlich sehr an Othar interessiert zu sein.“
Yvaine schluckte wieder. Sie war sich kaum bewusst, was sie gesagt hatte, aber sie schien damit in einen Fettnapf getreten zu sein. „Nun ja, er ist dein Bruder“, meinte sie.
Roriks Miene verfinsterte sich, er drehte sich jäh um, sprang aus dem Bett, riss den Deckel der Truhe auf, ohne auf den Kleiderstapel zu achten, der auf den Boden rutschte, zog ein Leinenhemd heraus und streifte es mit fahrigen Bewegungen über den Kopf.
Schweigend sah Yvaine ihm zu, während sie zwischen Gefühlen von Erleichterung und Verlassenheit schwankte. Und als er sich wieder zu ihr umdrehte, wich das Gefühl der Verlassenheit ein wenig. Seine Miene war verschlossen, doch seine Augen waren nicht kalt, wie sie erwartet hatte.
„Es ist besser, wenn du es erfährst“, erklärte er. „Othar war zum Zweikampf gefordert und hat Schande über sich gebracht.“
Yvaine setzte sich auf, zog das Bärenfell bis zu den Schultern und schlang die Arme um ihre angezogenen Knie. „Ein Zweikampf? In einem Turnier?“
„Nein.“ Er setzte sich an den Bettrand und zog die Stiefel an. „Er hat einem Mann Unrecht getan. Er hat sich an dessen Ehefrau vergangen. In unseren Zweikämpfen ist es Brauch, dass der Herausgeforderte den ersten Schlag führt. Othars erster Angriff ging ins Leere, es floss kein Blut, und er ergriff die Flucht. Er musste Bußgeld bezahlen, sonst hätte die Familie seines Gegners blutige Vergeltung an ihm genommen.“
„Ähnlich wie unser angelsächsisches Wergeld“, murmelte sie. „Die Familie des Opfers erhält vom Täter eine Geldsumme.“
„Ja, aber in diesem Fall musste ich Othar fortbringen, bis die üble Nachrede verstummt war. Er hat sich nicht nur an einer tugendhaften Frau vergangen, er hat sich auch als Feigling gebrandmarkt.“
„Hm. Kein Wunder, dass er und Ketil Freunde waren.“
Ein dünnes Lächeln huschte über seine Gesichtszüge. Er stand auf und steckte den Dolch in den Gürtel. „Dieser Fall lag ein wenig anders. Ketil wollte Orns Tochter heiraten, wahrscheinlich, weil Orns
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