Historical Exclusiv 45
Belästigung für die Laune eines Betrunkenen. Trotzdem habe ich ihn fortgeschickt. Yvaine schwor allerdings, sie sei eingeschlossen worden, nachdem Gunhild ihr das Badehaus gezeigt hatte. Wenn das so ist …“
„Wenn das so ist, hatten die beiden möglicherweise die Absicht, deine Ehefrau in Misskredit zu bringen.“ Thorolf pfiff leise durch die Zähne. „Davon hat Anna also gesprochen. Es wäre wohl besser, Yvaine mitzunehmen, wenn du Thorkill aufsuchst.“
„Wieso soll ich meine Zeit damit verschwenden, dem Beweis einer Geschichte nachzujagen, die ich längst glaube. Ich muss eine Mannschaft zusammenstellen und mein Schiff seetüchtig machen.“
„Das kann ich übernehmen, während du mit Yvaine diesen Thorkill ausfindig machst. Der Ausflug wird euch gut tun.“ Thorolf warf ihm einen flüchtigen Blick zu und suchte dann den Himmel ab. „Das Wetter ist schön. Eine gute Gelegenheit, Yvaine davon zu überzeugen, dass du sie nicht zur Frau genommen hast, um Vergeltung zu üben.“
Bei Roriks finsterem Blick glaubte er beinahe, seine Grenzen überschritten zu haben.
„Es gibt auch einen schnelleren Weg ins Tal, mein Freund.“
„Nein danke, Rorik.“ Thorolf lächelte unschuldig. „Ich komme gern mit heilen Knochen unten an.“
„Aha.“
Der Rest des Abstiegs ins Tal verlief schweigend.
Ein ähnliches Schweigen empfing die Freunde beim Betreten des Hauses. Kein Wunder, es war spät geworden. Die Sonne stand tief am Horizont hinter den grauen Nebelschleiern der Nacht.
Thorolf brummte etwas von einem Bärenhunger und ging in die Halle, Rorik aber wollte seiner Familie nicht begegnen, und jeder Gedanke an Essen war ihm zuwider.
An der Tür der Schlafkammer zögerte er. Er wusste nicht, was ihn erwartete, aber das spielte keine Rolle mehr, denn er hatte seine Entscheidung getroffen.
Er schob den Riegel beiseite und stieß die Tür auf.
Sie saß kerzengerade auf der Bettkante, die Hände im Schoß gefaltet. Trotz der späten Stunde war sie angezogen, auch ihr Haar war bedeckt. Sie blickte ihm mit den argwöhnischen Augen eines gefangenen Tieres entgegen.
Er schloss die Tür hinter sich und stieß die Worte heraus, ehe ihm die Kraft dazu fehlte. „Ich bringe dich nach England zurück.“
Ihre Lider flatterten. Das war ihre einzige Reaktion.
„Nun?“ Ihr Schweigen brachte ihn aus der Fassung. „Ich nehme an, du freust dich darüber. Du wolltest doch zu deinem Vetter an jenem Tag, als ich …“
„Mich freuen? In Schmach und Schande zurückgeschickt zu werden, damit du deine Vergeltung richtig auskosten kannst?“, fragte sie leise.
„Yvaine, ich würde niemals eine Frau benutzen, um Vergeltung zu üben. Das musst du mir glauben.“
Unverwandt schaute sie ihn an. „Auf dem Schiff hast du mich nach meiner Familie gefragt. Du hast die königliche Fahne auf dem Dach von Selsey erkannt.“
„Ja. Aber das hatte nichts mit Rache zu tun. Du warst nicht für Sitrics Tod verantwortlich. Und als deine Wunden verheilt waren und ich wusste …“
Er hielt jäh inne, wandte sich ab und ließ sie mit ihren bohrenden Fragen allein. Was hast du gewusst? fragte sie stumm. Dass du mich begehrst? Begehrst du mich noch immer?
„Warum bringst du mich nach England?“, flüsterte sie stattdessen tonlos.
Er straffte die Schultern. „Ich habe nicht die Absicht, die Fehler meines Vaters zu wiederholen.“
Sie zuckte zusammen. Jedes Wort bohrte sich wie ein Dolch in ihr Herz. „Natürlich. Du möchtest, dass deine Kinder nicht noch mehr englisches Blut haben. Das kann ich gut verstehen.“
„Nichts verstehst du“, knurrte Rorik und fuhr herum. Und dann trat ein seltsamer Ausdruck in seine Augen. „Du könntest ein Kind von mir bekommen. Das wirst du mir doch sagen, nicht wahr, Yvaine?“
Die Frage klang wie ein Befehl, und dennoch nickte sie, wohl wissend, dass sie es ihm verschweigen würde.
Aber etwas lag in seiner Stimme, in seiner Haltung … etwas wie Hoffnung?
Nein. Er wandte sich wieder ab und begann, seinen Gürtel zu lösen. Hoffnung war ein zu starkes Wort. Seine Stimme hatte vorsichtiger geklungen, als wage er nicht, Hoffnung zu schöpfen. Wollte er etwa ein Kind? Ein Kind mit ihr? Aber warum schickte er sie zu Edward zurück?
Und dann plötzlich glaubte sie zu wissen, und die Erkenntnis raubte ihr beinahe den Verstand. Dunkelheit schien sich zwischen sie und den Rest der Welt zu senken. In dieser Dunkelheit loderte ein einziges Wort wie eine Flamme.
Lösegeld.
Sie schloss die Augen
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