HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
zum Reden aufgelegt. Eine unangenehme Spannung würde zwischen ihnen herrschen, da es galt, sich noch eine Weile den Anschein eines glücklichen Ehepaares zu geben. Bedrückt suchte Mary die Haarnadeln zusammen, flocht die Locken und steckte sie fest. Eigentlich konnte es ihr einerlei sein, wie Cameron sich benahm. Sie hatte ihr Ziel erreicht und konnte jetzt Distanz zum Gatten wahren, ihre Empfindungen verhehlen, bis der Zug wieder da war. Es hatte ohnehin keinen Sinn, über Vergangenes nachzugrübeln. Sie nahm sich vor, von nun an nur in die Zukunft zu schauen, an die Tochter zu denken und das schöne Leben, das sie führen würden, wenn sie wieder in Schottland waren und sie Arthur Tarrington-Leigh geheiratet hatte.
Nachdem sie jetzt die Unterschrift des Gatten auf den Papieren hatte, war es ein wundervoller Gedanke, Mrs. Tarrington-Leigh zu werden. Allein der Name klang nach gutem Ansehen und Geltung. Oh, niemand würde auf sie herabblicken, wenn sie Arthurs Gemahlin war, und sich noch den Mund darüber zerreißen, dass sie einmal so etwas wie eine Scheinehe geführt und aus Not Logiergäste bei sich aufgenommen hatte. Das üble Gerede, das sie gekränkt hatte, würde der Tochter erspart bleiben. Sie stellte sich Jennifer vor, im Schlaf unter der Bettdecke zusammengerollt, und hatte das beklemmende Gefühl, sie könnte sich wegen der ihr bereits sehr lang erscheinenden Trennung ängstigen. Oh, es war dumm, in Trübsinn zu verfallen, denn das Kind war in Halil ibn Aybaks Haus gut aufgehoben, würde von den Ehefrauen des Emirs verwöhnt und verhätschelt und hatte seine beiden Söhne zum Spielen. Außerdem gab der wachsame Hassan auf sie acht. Oh, alles war ganz in Ordnung. Gewiss würde Jenny kein Leid widerfahren.
Mary schluckte beklommen und wünschte sich, sie könnte die Rückkehr des Zuges beschleunigen. Doch auch das war ein törichter Wunsch. Im Moment blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten und das Beste aus der Situation zu machen, vor allem im Hinblick auf Cameron. Vielleicht ergab sich, wenn er zurück war, eine Möglichkeit, sich entspannt mit ihm auszusprechen und den Abend ohne Streit zu verbringen. Schließlich hatte er ja seinen Namen unter die Papiere gesetzt. Also gab es keinen Grund mehr, sich in die Haare zu geraten. Die Beziehung zu Cameron war wirklich zu Ende. Er hatte Mary die Freiheit gegeben. Alles, was noch von dieser Ehe übrig war, würde spätestens dann, wenn ein Richter in der Verhandlung über die Scheidung den Beschluss des Gerichtes verkündete, ausgelöscht sein.
Mary erschauerte bei der Erinnerung, wie grob der Gatte sie zu sich in die Badewanne gezerrt und dann, von wilder Leidenschaft aufgewühlt, stürmisch geküsst hatte. Noch einmal sollte das nicht vorkommen. An diesem Abend würde sie sich nur höflich mit ihm unterhalten und darauf achten, dass sie beide sich wie gesittete, vernünftige Menschen aufführten.
Um sich abzulenken, beschloss sie, ein wenig an die frische Luft zu gehen. Sie erhob sich, ging zum Eingang des Zeltes und schlug die Plane zurück. Tief in der Morgenluft durchatmend, verweilte sie einen Moment und schaute zum klaren blauen Himmel. Ihr Blick fiel auf die sich hinter dem Lager erstreckende weite Ebene, und unwillkürlich war sie stolz auf sich. Tapfer hatte sie einer tödlichen Gefahr ins Auge gesehen und überlebt. Sie hatte ihr Schicksal in die Hände genommen und erhalten, was sie wollte. Bald würde auch alles andere, was sie sich vorgenommen hatte, erreicht sein.
Eine leichte Brise wehte ihr ins Gesicht, und plötzlich traten ihr unerklärlicherweise die Tränen in die Augen.
Zum Dinner waren Mary, ihr Gatte und Harold Cummings wieder Mr. Bowmans Gäste. Sie widmete sich dem Essen mit gutem Appetit; die beiden Ingenieure langten kräftig zu, und nur Cameron stocherte lustlos auf seinem Teller herum.
Irritiert registrierte er, dass die Gemahlin sich betont heiter gab, doch ihre Fröhlichkeit wirkte aufgesetzt, wie eine lachende Maske.
„Oh, war das lustig!“, sagte sie schmunzelnd, nachdem Anthony Bowman wieder einmal eine seiner langweiligen Geschichten vom Ruderteam in Oxford zum Besten gegeben hatte.
Cameron fand die Anekdote überhaupt nicht komisch, ebenso wenig wie beim ersten Mal, als er sie sich hatte anhören müssen. Immer wieder blickte er zu Mary hinüber. Sie hatte sich gut von dem schrecklichen Erlebnis erholt, und er gestand sich ein, dass sie an diesem Abend besonders hübsch war. In Anbetracht der Hitze hatte
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