HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
und sich nur einer gesicherten Zukunft wegen von ihm selbst trennte. Aber es ging ihn nichts an, in welcher Beziehung sie zu diesem Mann stand. „Ich hatte angenommen, dass dein Vater dir genügend hinterlassen hat und du in guten Verhältnissen lebst. Immerhin besaß er das schönste Haus in Darlmoor.“
„In Darlmoor!“, wiederholte Mary verbittert. „Richter verdienen nicht viel Geld, zumindest nicht, wenn sie unbestechlich sind. Und Vater war ein anständiger, ehrlicher Mann. Er vererbte mir das Haus, aber nicht viel mehr. Ich habe dir doch erzählt, wozu ich gezwungen bin, um den Lebensunterhalt für Jenny und mich zu verdienen!“
„Ja, aber lange wird dieser Zustand jetzt nicht mehr dauern, nicht wahr?“
Mary antwortete nicht und blickte auf die im Schoß gefalteten Hände.
Plötzlich sah sie sehr verwundbar aus, und Cameron musste sich beherrschen, um sie nicht an sich zu ziehen und die zwischen ihnen bestehenden Schranken durch eine stürmische Liebesnacht einzureißen. Doch dafür war es zu spät. Für Mary und ihn war es besser und sicherer, die Distanz blieb bestehen.
Mary sah ihn wieder an. „Ich entsinne mich, dass du stets davon gesprochen hast, nach Afrika zu reisen, weil du Elefanten schießen, das Elfenbein verkaufen und reich werden wolltest.“
Der Lageplan in der Hemdtasche schien Cameron auf der Haut zu brennen. „Ja, das waren die versponnenen Träume eines jungen Narren“, murmelte er.
„Was ist aus ihnen geworden?“
Er strich sich durch das verstaubte Haar, kämpfte gegen die albtraumartigen Erinnerungen an und antwortete achselzuckend: „Das, meine liebe Mary Margaret, ist eine lange Geschichte, viel zu lang, um sie jetzt zu erzählen. Du brauchst Schlaf.“
„Ich bin noch nicht müde.“ Ihr Blick war so neugierig wie der eines Kindes.
Jäh hatte Cameron das Bedürfnis, ihr zu berichten, was ihn schon so lange belastete. „Es ist keine hübsche Geschichte.“
„Das stört mich nicht.“
Er rückte einen Faltsessel vor die Pritsche, auf der die Gattin wie ein kleines Mädchen mit hochgezogenen Knien saß, und sagte warnend: „Bisher habe ich das, was ich dir nun mitteilen werde, keinem Menschen anvertraut.“
„Ich verstehe. Von mir wird niemand etwas erfahren.“
„Also gut.“ Cameron räusperte sich, lehnte sich zurück und holte tief Luft. „Ich war einmal auf Elefantenjagd. Damals war ich ungefähr ein Jahr bei der Eisenbahn beschäftigt und hatte in Mombasa in einer Bar Alfonso Cabral, einen grauhaarigen alten Portugiesen, kennengelernt. Er behauptete, Elefantenjäger zu sein, und machte mir das Angebot, mir alles Wissenswerte beizubringen, falls ich ein halbes Jahr für ihn arbeite. Du kannst dir gewiss vorstellen, wie mir zumute war, Mary. Cabral kam mir wie ein Geschenk des Himmels vor. Ich kündigte bei der Eisenbahn und zog mit ihm und einer großen Schar Träger ins Landesinnere zum Naivashasee. Unterwegs lernte ich von Cabral, wie ich im Busch leben und mir durch das Erlegen von Wild Nahrung verschaffen konnte. Ich hatte den Eindruck, auf einem Jagdausflug zu sein, bis wir auf die Elefantenherden stießen.“
Gespannt beugte Mary sich vor.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie das war. Ich war nie in der Nähe von Elefanten gewesen und hatte keine Ahnung, wie beeindruckend sie in ihrer Kraft und Intelligenz sind. Bisher habe ich nie darüber geredet, weil ich befürchtete, die Leute würden mich für überspannt halten. Vielleicht bist auch du jetzt dieser Ansicht, Mary.“
Sie schüttelte den Kopf und legte dem Gatten mit beruhigender Geste kurz die Hand auf den Arm.
„Cabral war so grausam, dass mir übel wurde. Der erste von ihm geschossene Elefant war eine trächtige Kuh. Ich konnte es nicht mit ansehen, als die Eingeborenen begannen, sie auszuweiden.“ Cameron hielt inne und beschloss, der Gemahlin zu verschweigen, dass er sich hinter einem Busch übergeben hatte, wie scheußlich der Anblick noch lebender, blutüberströmter Tiere gewesen war, denen die Stoßzähne herausgesägt wurden, und wie grässlich das verstörte Quieken der ihrer Mütter beraubten Jungtiere ihm in den Ohren gegellt hatte.
Mary wagte nicht, etwas einzuwerfen. Die Augen waren ihr feucht geworden, und mitfühlend schaute sie den Gatten an.
„Aber in der Folge wurde alles noch viel schlimmer“, fuhr er bedrückt fort. „Ich hätte Cabral verlassen, wäre ich zuversichtlicher gewesen, allein durchzukommen, doch dieses Selbstvertrauen hatte ich damals nicht.
Weitere Kostenlose Bücher