HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
prozessieren müssen.“
Wütend starrten Mary und Cameron sich in dem dämmrigen, stickigen Zelt an. Das verunstaltete Gesicht des Gatten war eine Maske grimmiger Entschlossenheit. Trotzig hielt Mary seinem eisigen Blick stand. Es hatte nicht sein müssen, dass sie und ihr Mann plötzlich zu Feinden geworden waren, doch nun war das Terrain abgesteckt. Ihr war klar, dass diese Animosität die gemeinsame Suche nach Jennifer belasten würde. Leider war sie auf Camerons Hilfe angewiesen, aber dennoch nicht gewillt, die Tochter nach der Befreiung aus den Fängen der Entführer mit einem Mann zu teilen, der sich nie um sein Kind gekümmert hatte.
Das Schweigen wurde drückend, doch nach geraumer Weile regte Cameron sich und sagte frostig: „Ich habe mit Halil abgesprochen, dass die Askaris und ich innerhalb einer Stunde aufbrechen.“
„Ich bin mit den Vorbereitungen fertig.“
Cameron wandte sich ab und hob die Zeltplane. „Der Marsch durch den Busch wird zehnmal schlimmer werden, als du es dir vorstellen kannst, Mary. Fahr mit dem Emir nach Mombasa zurück, solange du noch die Möglichkeit hast.“
„Nein. Ich begleite dich.“
Achselzuckend sah Cameron die Gemahlin an. „Dann möge Gott dir beistehen, Mary“, murmelte er resignierend und verließ das Zelt.
10. KAPITEL
In glühender Sonne brach der Trupp gegen Mittag auf. Cameron wusste, dass es sinnvoller gewesen wäre, die Nacht im Lager zu bleiben und sich im Morgengrauen auf den Weg zu machen, doch er war nicht imstande gewesen, eine Minute länger zu warten. Zudem hatte es ihm widerstrebt, sich noch einmal mit dem Chefingenieur auseinandersetzen und ein weiteres Mal mit der Gattin im selben Zelt schlafen zu müssen. Es war besser, beschäftigt zu sein, denn sonst wären sie sich gewiss erneut an die Kehle gesprungen.
Drei der Askaris, die Lederriemen mit den Gewehren über die Schulter geschlungen, führten den in einer langen Reihe marschierenden Zug an, gefolgt von Mary, Cameron, den zwölf ihrer sechzig Pfund schweren Ausrüstung in Bündeln auf dem Kopf balancierenden Trägern und den drei übrigen, die Nachhut bildenden Soldaten. Im Allgemeinen waren Swahili fröhliche, lebenslustige Menschen, die auf langen Märschen sangen und scherzten, diese Männer hingegen, vom Emir angeheuerte Söldner, schritten schweigend aus. Cameron hoffte, dass sie seinen Befehlen gehorchen würden, ihr Handwerk verstanden und im richtigen Moment mit den neuen Karabinern umzugehen wussten.
Die Augen verengend, blinzelte er in die bläulich schimmernde Ferne. So weit der Blick reichte, dehnte sich die Savanne wie ein gewelltes, hie und da von Baumgruppen oder steinigen Erhebungen unterbrochenes Meer schwankenden gelber Halme aus. Eine Zebraherde tauchte kurz in der flirrenden Hitze auf und verschwand wieder, und eine blau-orange gefleckte Eidechse huschte vom Weg in das ausgedorrte Gras. Zur gleichen Zeit im letzten Jahr hatte es bereits geregnet, doch jetzt trübte kein Wölkchen den azurnen Himmel.
Auf dem ersten Teilstück wollte Cameron in drei Tagen bis Machakos gelangen, wo es eine kleine Ansiedlung von Weißen gab. Bis dahin war die Gattin hoffentlich so erschöpft, dass sie einwilligen würde, in Machakos zu bleiben. Die auf dem weiteren Weg lauernden Gefahren waren so groß, dass er nicht die Absicht hatte, Mary ihnen auszusetzen. Tapfer schritt sie vor ihm aus, und der Rucksack wippte bei jedem Schritt. Sie wirkte zierlich, schwach und verwundbar, aber Cameron wusste, dass sie ein Mensch war, der vor nichts haltmachen würde, um das zu erreichen, was er sich vorgenommen hatte. Indes, sie hatte keine Ahnung, was ihr bevorstand. Sie war ja noch nie in Afrika gewesen.
Das Vernünftigste war jedoch, ihr die Schrecknisse nicht zu schildern und sie in dem Glauben zu lassen, die Befreiung der Tochter sei nur eine Frage der Zeit. Je länger Cameron darüber nachdachte, wie er ihr die Strapazen und Fährnisse ersparen könne, desto deutlicher entwickelte sich ein Plan. Er nahm sich vor, ihr in den kommenden drei Tagen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Da sie jedoch nicht gewohnt war, so lange zu Fuß unterwegs zu sein, würde sie nach der Ankunft in Machakos vor Erschöpfung sehr tief und lange schlafen. Und wenn sie dann am nächsten Morgen erwachte, würde sie feststellen müssen, dass Cameron mitsamt den achtzehn Swahili verschwunden war. Natürlich würde sie ihn ob dieser Täuschung hassen und zur Hölle wünschen, doch das war ihm einerlei. Indem
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