HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
nicht kann.“ Er drehte sich um und begab sich wütend zur Baustelle. Der Schock über das, was die Gattin ihm angetan hatte, saß tief. Die Scheidung hatte er hinnehmen und in diesem Punkt sogar Verständnis für Mary aufbringen können. Aber er fand es unbegreiflich und unverzeihlich, dass sie Jennifer nach Afrika mitgenommen und ihm dann verschwiegen hatte, dass die Tochter in Mombasa war, obwohl sie sich denken konnte, dass er das Kind sehen wollte. Ihm wäre es recht gewesen, würde sie sich auf der Stelle eines anderen besinnen und mit ihrem alten arabischen Bekannten nach Mombasa zurückfahren. Doch sie war derart halsstarrig und eigensinnig, dass sie ihm den Wunsch gewiss nicht erfüllen würde. Im Gegenteil, sie würde, ungeachtet aller Strapazen, auf dem Weg zum Dscharengpass nicht an Umkehr denken und allen Beteiligten nur hinderlich sein.
Cameron war fest entschlossen, die Tochter zu finden, die er bislang nur dem Namen nach gekannt hatte und die sich nun in höchster Gefahr befand. Sie zu retten, war ihm wichtiger als alles andere. Er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen und alles opfern, was er besaß, um Jennifer zu retten.
Er eilte den Abhang hinunter und sah den Chefingenieur auf seinem idiotischen Muli sitzen. Flüchtig überlegte er, ob er Bowman bitten solle, ihm das Tier für Mary zu leihen, damit sie reiten konnte. Mulis waren im Busch jedoch eher ein Ärgernis als ein Gewinn. Sie verscheuchten das Wild und lockten Raubkatzen an. Sollte die Gemahlin wirklich entschlossen sein, sich an der Verfolgung der Sklavenhändler zu beteiligen, würde sie sich, wie jeder andere, zu Fuß bewegen müssen.
„War das der Zug, den ich vorhin gehört habe?“, rief Anthony beim Näherkommen. „Er hätte doch frühesten morgen hier eintreffen sollen.“
Cameron blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht an. „Es gibt einen Notfall. Ich bedauere, aber für die nächsten Wochen nehme ich Urlaub.“
„Was?“ Anthonys dünne Stimme klang schrill.
„Es geht um meine Tochter. Meine Gattin hat sie in Mombasa zurückgelassen, und …“
„Sie erwähnten doch, das Kind sei daheim in Schottland.“
„Ja, das hatte ich angenommen. Aber manchmal steckt meine Frau voller Überraschungen.“ Cameron hielt inne und holte tief Luft. „Jennifer wurde geraubt und an einen Sklavenhändler verschachert, der nach Norden unterwegs ist. Ich habe die Absicht, den Suchtrupp anzuführen.“
Anthony fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Geraubt? An einen Sklavenhändler verschachert? Du liebe Güte, MacKenna, so etwas passiert doch keinem europäischen Kind.“
„Es ist trotzdem geschehen.“ Cameron zwang sich, ruhig zu sprechen. „Habe ich Ihre Einwilligung? Voraussichtlich werde ich etliche Wochen fort sein.“ Der Chefingenieur richtete den Blick auf die halb fertige Brückenkonstruktion, und Cameron ahnte, was Bowman dachte. Der Kollege war eher ein Theoretiker, der am Reißbrett vorzügliche Arbeit leistete, doch er selbst war derjenige, der sich um die Einzelheiten der Ausführung kümmerte. Die Aussicht, eine derart lange Zeit ohne ihn auskommen zu müssen, versetzte den Chefingenieur sichtlich in Besorgnis.
Fahrig drehte er die Zügel zwischen den Händen, schaute nach einer Weile wieder MacKenna an und sagte: „Ich habe vollstes Mitgefühl für Sie, aber wir haben den Auftrag, eine Eisenbahnlinie zu bauen. Das ganze britische Empire verlässt sich auf uns. Sie können nicht erwarten, dass ich Ihnen gestatte, sich einfach aus dem Staub zu machen!“
„Haben Sie Kinder, Bowman?“
„Natürlich nicht! Ich bin nicht einmal verheiratet.“
„Das hätte ich mir denken können.“ Cameron seufzte. „ Verlangen Sie eine schriftliche Kündigung, oder genügt es, dass ich Ihnen meine Entscheidung jetzt mündlich mitgeteilt habe?“
„Sie können nicht einfach alles stehen und liegen lassen! Verdammt, MacKenna, was soll aus der Eisenbahn werden? Ich benötige Sie!“
„Auch meine Tochter braucht mich.“
Unstet schaute Anthony hin und her. „Und was ist mit den Arbeitern? Wie soll ich mit den Trupps zurechtkommen?“
Schon im Begriff, zu der Gattin zurückzugehen, blieb Cameron noch einmal stehen. „Soweit ich gehört habe, ist Patterson mit der Steinbrücke fertig. Gewiss, er hatte genügend Ärger mit seinen Kulis, doch seit der Erschießung der beiden Raubkatzen bewundern sie ihn. Holen Sie ihn her, falls es möglich ist. Einen besseren Mann können Sie nicht bekommen.“
„Aber
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