HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
kostbaren Kudufleisches eingebüßt zu haben.
Cameron stand am Rande der Lichtung und war in ein gestenreiches Gespräch mit Numa vertieft. Hin und wieder schienen sie etwas an den Fingern abzuzählen. Plötzlich unterbrach er jedoch die Unterhaltung und kam auf Mary zu.
„Setz dich und ruh dich aus“, sagte sie, um einen freundlichen Ton bemüht. „Es wird allerdings noch ein Weilchen dauern, bis das Fleisch genießbar ist.“
„Mary, mein Mädchen.“
Cameron schaute sie mit einem Ausdruck an, den sie noch nie bei ihm bemerkt hatte. Es kam ihr vor, als sei er den Tränen nahe. „Du bist mir doch hoffentlich nicht böse, weil ich wollte, dass die Kikuyu zu essen bekommen, oder doch? Aber ich konnte nicht anders. Sie waren ja halb verhungert.“
Cameron hockte sich ganz langsam neben die Gattin und schaute sie bewegt an.
Du lieber Himmel, er hatte tatsächlich Tränen in den Augen! „Cameron, was hast du?“, flüsterte Mary, plötzlich verängstigt.
„Numa hat mir berichtet, er sei mit seinen Stammesgenossen aus dem Süden hier hergezogen. Mary, unterwegs haben sie unsere Tochter gesehen.“ Cameron beobachtete ihr Gesicht, in dem sich abwechselnd Fassungslosigkeit, Freude und Angst spiegelten.
„Wann? Wo? Lebte Jenny? Ging es ihr gut?“
„Ja, mein Mädchen“, antwortete er weich. „Numa ist ihr vor drei oder vier Wochen begegnet. Genau weiß er es nicht mehr. Er konnte auch den Ort nicht näher beschreiben. Die Kikuyu haben die Karawane der Sklavenhändler gehört, sich im Busch verborgen und sie vorüberziehen lassen. Dabei ist ihnen ein kleines Mädchen mit goldblondem Haar aufgefallen, das wie die Tochter eines Häuptlings auf den Schultern eines Trägers saß.“
Mary schluchzte auf und schlug die Hände vor das Gesicht.
Cameron hätte sie gern in die Arme genommen, doch er befürchtete, sie würde sich ihm entziehen.
Nach einer Weile gewann Mary die Fassung zurück und fragte: „Was hat Numa noch beobachtet? Bitte, erzähle mir alles!“
„Es gibt keinen Zweifel, dass es sich um Jennys Entführer handelte. Die Karawane bestand aus vier Arabern, von denen einer sehr hochgewachsen war …“
„Hassan!“, warf Mary heftig ein.
„Einigen Swahiliträgern“, fuhr Cameron fort, „und ungefähr zwanzig im Joch gehenden Negern.“
„Wie Tiere!“
„Ja, das kann man sagen“, stimmte Cameron der Gattin zu. Er hatte schon früher miterlebt, auf welch unmenschliche Weise Sklaven vorangetrieben wurden. Mit ledernen Halsriemen und langen Stricken aneinander gefesselt, trugen sie ein Joch auf den Schultern, an dem die ausgestreckten Arme angebunden waren. Keiner war fähig, aus der Reihe zu gehen, und wenn einer der Sklaven starb, was häufig geschah, wurde der Leichnam so lange von den anderen mitgeschleift, bis endlich einer der Sklaventreiber den Toten abschnitt. „Die Träger waren mit einer großen Zahl weiterer Joche beladen“, berichtete Cameron weiter. „Das kann nur bedeuten, dass die Sklavenhändler die Absicht hatten, unterwegs noch mehr Sklaven mitzunehmen.“
Nervös krallte Mary die Finger in den Rock. „Ich darf gar nicht daran denken, welch abscheuliche Dinge unsere Tochter mitansehen musste! Oh, Cameron, wie kann ein Kind diese schrecklichen Erlebnisse verkraften?“
„Es hat keinen Sinn, jetzt darüber nachzugrübeln, Mary. Zumindest wissen wir nun dass wir noch genügend Zeit haben, Jennys Entführer aufzuspüren, da sie nur langsam vorankommen.“ Cameron verschwieg der Gattin, dass er nicht wusste, was geschehen würde, sobald sie die Sklavenhändler gefunden hatten. Sie waren nur zu zweit, hatten bloß ein Gewehr, das mit der vorhandenen Munition nur einmal geladen werden konnte, und mussten es mit einer schwer bewaffneten Karawane aufnehmen. Schweigend schnitt Cameron ein Stück vom Braten ab, kostete und fand, dass es genießbar war. Pustend kühlte er es etwas ab und reichte es der Gemahlin.
Vorsichtig nahm sie es entgegen und schaute ihn dankbar an.
Der Ausdruck in ihren Augen ließ ihn erneut begreifen, wie sehr er ihre Nähe, ihre Anerkennung und, ja, verdammt noch mal, auch ihre Liebe brauchte. In den letzten Tagen war er sich wie im Fegefeuer vorgekommen. Er hatte sich nach Mary gesehnt, während er in düsterem Schweigen neben ihr hergegangen war, zu stolz und ängstlich, um die zwischen ihnen entstandene Kluft von sich aus zu überbrücken. Jedes Mal, wenn er die Gattin angeschaut hatte, war er an die mit ihr im Haus der Robertsons verbrachte
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