HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
Waffe an sich zu bringen, ehe Hassan aufwachte. Hastig richtete sie sich auf, wurde indes sogleich zurückgerissen und hatte das Gefühl, stranguliert zu werden. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie am Hals, an Händen und Füßen mit kurzen Stricken an einen Zeltpfahl gefesselt war, die sich bei jeder Bewegung sofort spannten. Zitternd blieb sie liegen und bog den Rücken durch, damit das dünne Seil ihr nicht in die Kehle schnitt.
Hassan hatte zu schnarchen aufgehört. Seine Lider zuckten, und dann machte er die Augen auf. Starr und ausdruckslos schaute er, ein kaltes Lächeln auf den Lippen, zu Mary herüber. Trotzig hielt sie seinem Blick stand. Sie wusste, Jennifers Entführer wartete nur darauf, dass sie ihn anbettelte, ihr die Fesseln abzunehmen. Doch diese Genugtuung würde sie ihm nicht geben.
Er lachte, trocken und spöttisch. „Ein kleiner Fisch ist mir entkommen“, sagte er grinsend. „Dafür habe ich jedoch einen viel größeren gefangen.“
Verblüfft sah Mary ihn an. Er hatte soeben verraten, dass die Tochter entkommen war, und außerdem in fließendem, wenngleich nicht akzentfreiem Englisch gesprochen.
„Mustafa, mein erster Gebieter, hat mir deine Sprache beigebracht“, fuhr er fort und genoss Mrs. MacKennas Überraschung. „Er hoffte, ich könnte ihm als Spitzel gegen deine Landsleute wertvolle Dienste leisten. Leider konnte ich ihm nicht nützlich sein, weil er bedauerlicherweise nicht lange genug gelebt hat. In den Jahren bei Halil ibn Aybak al Gahiz las ich die in Englisch gedruckten Bücher, die er in seiner Bibliothek hatte. Oh, natürlich hat der alte Narr nichts davon gemerkt. Er hielt mich für einen ihm hündisch ergebenen Diener, der keinen Verstand hat. Seine Dummheit war für mich von großem Vorteil. Dank des Schutzes, den mir sein Name und die Zugehörigkeit zu seinem Haushalt boten, war ich jahrelang im Sklavenhandel tätig.“
„Du gemeiner Schuft!“, empörte sich Mary. „Der Emir, meine Tochter und ich haben dir vertraut!“
„Dann wart ihr alle Toren!“ Hassans Blick verdunkelte sich, doch seine Stimme hatte, wie immer, schmeichlerisch geklungen. „Du bist mir etwas schuldig, Memsahib.“ Das letzte Wort hatte er voller Hohn ausgesprochen. „Hätte ich deine Tochter nicht aus dem Meer gerettet, läge sie jetzt auf dem Grunde des Hafens von Mombasa.“
„Dein Verrat enthebt mich dir gegenüber jeder Verpflichtung!“, ereiferte sich Mary.
Hassan musterte sie überheblich. Seine Augen glitzerten im Widerschein der Lampe. Mary sah, dass nicht Lust ihn erregte, sondern das Gefühl der Macht. Es freute ihn, dass sie hilflos war und Schmerzen litt. Bei dem Gedanken, dass er auch die Tochter so gequält haben könne, krampfte sich ihr das Herz zusammen. „Was hast du meinem Kind angetan?“, wollte sie wissen und versuchte erneut, sich aufzusetzen. Halb erstickt von der Halsfessel, fiel sie jedoch ächzend zurück.
Hassans langes, hässliches Gesicht drückte keine Regung aus. „Deine Tochter wurde gut behandelt, ob du es glaubst oder nicht, Memsahib. Ich habe mich um alles gekümmert, sogar darum, dass sie nicht die Unschuld verlor.“
„Natürlich!“ Mary fühlte Übelkeit in sich aufsteigen und schnappte nach Luft. „Jennifer war ja viel für dich wert.“
„Zu gegebener Zeit wirst auch du mir viel Geld einbringen. Wie schade, dass du nicht jünger und keine Jungfrau mehr bist. Sonst würde ich aufgrund deiner Schönheit auf dem Markt in Marsabit ein Vermögen für dich bekommen. Aber auch so werde ich einen beträchtlichen Preis für dich erzielen.“
„Nimm mir die Fesseln ab. Mir wird schlecht“, sagte Mary matt.
Hassan schaute sie an, als habe er sie nicht gehört. „Du warst unklug, deinem Kind zu raten, sich in die Dunkelheit zu flüchten. In den Felsspalten gibt es Schlangen, die nachts auf Jagd gehen.“ Plötzlich ärgerlich gestimmt, betrachtete Hassan die vor ihm liegende Frau. „ Von den beiden Männern, die deine Tochter verfolgt haben, ist einer nicht zurückgekehrt. Dadurch bist du mir noch mehr schuldig, Memsahib.“
Vor Erleichterung schloss sie die Augen. Cameron musste dafür gesorgt haben, dass dieser Mann nicht ins Lager zurückgekommen war. Nun konnte sie zu hoffen wagen, dass der Gatte die Tochter gefunden und beide in Sicherheit waren.
„Deine Schuld wiegt schwer, Memsahib.“ Hassan hatte den Dolch aus der Scheide gezogen.
Mary meinte, das Herz bliebe ihr stehen, als er die scharfe Klinge auf ihre Kehle richtete und der
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