HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
ein weiteres Mal durch Cameron guter Hoffnung geworden war.
Vor Erregung bebend, verdrängte Mary jeden Gedanken ans Sterben. Ein Lebewesen wuchs in ihr, dem sie es schuldig war, in Freiheit geboren zu werden.
Der Regen hielt bis zum Morgen an. Cameron hatte die Tochter in einer der kleinen Höhlen hoch über dem Dscharengpass in Sicherheit gebracht und war bei ihr geblieben. Sie hatten gegessen, sich unterhalten und geschlafen. Das waren die ersten Stunden gewesen, die er als Vater mit seinem Kind erlebt hatte. Zusammengekrümmt lag Jennifer auf dem Schlafsack und hatte den Daumen in den feuchten rosigen Mund geschoben. Cameron hockte am Zugang zur Höhle, betrachtete Jennys im einfallenden Morgenlicht schimmernden Locken und fragte sich, wie er so lange ohne die Tochter hatte leben können. Das Ergebnis jener leidenschaftlichen Sommernacht in Darlmoor war ein Wunder, ein kleines munteres, neugieriges und zärtliches Bündel, das sein Herz gefangen genommen hatte. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, ohne die Tochter zu existieren.
Er wandte den Blick ab und starrte in den Regen. Dort unten im Lager war die Gattin, der Gnade der Sklavenhändler ausgeliefert, die Geschäfte mit menschlichem Leid machten. Sie würden sie am Leben lassen, weil sie einen Wert für sie hatte, doch der Gedanke, was sie durch sie erleiden mochte, war Cameron unerträglich. Um ihr die Schrecken zu ersparen, hätte er jedes Risiko auf sich genommen, ohne an die eigene Sicherheit zu denken, doch er hatte die Tochter bei sich. Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu und sah sie sich im Schlaf regen. Die süße kleine Jenny! Falls ihm etwas zustoßen sollte, würde sie keinen Tag im Busch überleben. Um nicht sterben zu müssen, war ihre einzige Hoffnung dann die Rückkehr ins Lager. Auch wenn sie dort die Mutter bei sich hatte, stand es schlecht um beider Chancen, je in Freiheit zu kommen. An der Realität ließ sich nicht rütteln. Jenny brauchte den Vater.
Er schluckte beklommen. Leider konnte er sich nicht mit der Gemahlin in Verbindung bringen. Er wusste auch so, was sie ihm antworten würde. Setzte er sein Leben aufs Spiel, tat er das Gleiche mit dem der Tochter. Das würde Mary nie hinzunehmen bereit sein. Sie hatte die Tochter seiner Obhut anvertraut, und dieses Vertrauen durfte er, koste es, was es wolle, nicht missbrauchen. Die Nerven zum Zerreißen gespannt, schaute er durch den Regen in die Schlucht. Die Zeit, Mary zu retten, wurde knapp. Aber er war allein, hatte kein Gewehr und als Verbündeten nur ein vierjähriges Kind. Über eine Trumpfkarte verfügte er jedoch noch. Der Moment war gekommen, sie einzusetzen.
Der steife Lederring um den Hals scheuerte Mary, als sie durch das Camp ging. Der Halskragen war mit einem neben dem Feuer stehenden Pfahl durch eine dreißig Fuß lange Kette verbunden. Durch diese Art der Fesselung fühlte Mary sich erniedrigt, hatte aber wenigstens die Möglichkeit, sich im Freien zu bewegen.
Ein pockennarbiger Swahili stand vor dem Eingang des Zeltes und ließ sie nicht aus den Augen. In einem anderen Zelt setzten die drei Araber und Hassan das irgendwann am vergangenen Abend begonnene Spiel fort. Mary musste sich nicht erst fragen, um was sie spielten. Das hatte Hassan ihr deutlich genug zu verstehen gegeben. Sie konnte nur hoffen, dass Spiel möge so lange dauern, bis sie wusste, wie sie entfliehen würde. Der Regen fiel nur noch schwach, und für die Sklavenhändler wäre es sinnvoll gewesen, den restlichen Tag bei vielleicht besserem Wetter für den Weitermarsch zu nutzen, doch jeder wartete anscheinend auf das Ende des Spieles.
Der Eingeborenenwächter gähnte und kratzte sich unter der Achsel.
Mary ging zum Feuer und schöpfte schleimigen Reisbrei aus dem großen Eisentopf in eine aus einem getrockneten Kürbis gefertigte Kalebasse. Hassan hatte ihr aufgetragen, den Sklaven Essen zu bringen, und das gedachte sie zu tun. Doch nicht nur das. Mit der vollen Kalebasse ging sie wieder durch den roten Matsch durch das Lager, und die Kette hinter ihr klirrte. Nachts hatte sie überlegt, warum das Camp nicht von den schweren Regengüssen überschwemmt wurde. Nun sah sie den Grund. Vor vielen Jahren war an einer Seite der Schlucht ein Abflussgraben angelegt worden. Unzählige Regenfluten hatten ihn tiefer ausgewaschen, und nun sprudelte durch die enge Spalte ein wirbelnder, schmutziger rotbrauner Bach.
In sicherem Abstand vom bröckeligen Uferrand näherte Mary sich misstrauisch den
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