HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
kalte Stahl ihre Haut ritzte.
Über ihre Angst lächelnd, durchtrennte Hassan mit jäher Drehung der Hand das Seil um ihren Hals.
Aufatmend ließ sie sich zurücksinken. Wiewohl sie noch an Händen und Füßen gefesselt war, konnte sie sich jetzt wenigstens etwas bequemer ausstrecken.
„Ruhe dich aus“, murmelte er. „Bald wird die Zeit gekommen sein, da du deine Schuld bei mir abtragen musst. Ich habe die Unberührtheit deiner Tochter beschützt, weil ich den Wert des Kindes steigern wollte. Aber du, Sahiba, hast nichts mehr, was es zu bewahren gälte.“
Entsetzt wich sie an die Zeltwand zurück. „Nein!“, flüsterte sie gepresst. „Eher sterbe ich, als dass ich dich an mich heranlassen würde!“
Hassans Gelächter hallte durch das Zelt und mischte sich in das Rauschen des Regens. „Bilde dir nichts ein, Memsahib! Wenn ich dich in Marsabit verkauft habe, werde ich das Geld für einen niedlichen, geschmeidigen jungen Knaben ausgeben, vielleicht einen hübschen Griechen mit dunklen Augen und honigfarbener Haut.“ Sekundenlang glitzerten seine Augen voller Vorfreude. Dann stand Hassan auf. Er war so groß, dass er mit dem bestickten Fez an die Verstrebung des Zeltes stieß. „In der Zwischenzeit wirst du dich nützlich machen“, sagte er abfällig, ging zum Zelteingang und blieb davor stehen. „Es gibt hier viele andere Männer, die keinen so erlesenen Geschmack haben wie ich und denen ich einen Gefallen schuldig bin. Das werde ich dann nicht mehr sein, wenn du ihnen nächtliches Vergnügen verschafft hast. Und tagsüber wirst du deinen Lebensunterhalt dadurch verdienen, dass du die Sklaven versorgst und ihnen das Essen bringst.“
Trotzig starrte Mary ihren Peiniger an und zerrte schweigend an den rauen, ihr in die Haut schneidenden Hanfseilen, die sie gefangen hielten und blutige Striemen an Händen und Füßen hinterließen. Aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie der Tochter zur Freiheit verholfen hatte. Diese Gewissheit würde ihr alles erleichtern, was ihr an Schrecklichem bevorstehen mochte.
Hassan hatte die Planen des Zelteinganges hochgehoben. Vom kalten Wind hereingeweht, drang Regen ins Zelt.
Mary atmete tief in der frischen Luft durch und bemühte sich, das Gefühl der Übelkeit zu bezwingen.
Hassan drehte sich um, nahm die Laterne von der Halterung und sagte mit frostigem Lächeln: „Oh, noch etwas! Wir wissen, dass du nicht allein gewesen bist, sondern von anderen Leuten begleitet wurdest, die dich gewiss zu befreien trachten. Glaube nicht, Sahiba, dass sie Erfolg haben werden. Sie werden, falls Allah uns wohlgesonnen ist, in die ihnen von uns gestellte Falle laufen, in der du der Lockvogel bist.“
Nachdem Hassan das Zelt verlassen hatte, blieb Mary in tiefer Dunkelheit zurück. Zappelnd und sich windend versuchte sie, sich von den Fesseln zu befreien, doch es gelang ihr nicht. Nach einer Weile fiel sie, von den Anstrengungen erschöpft, auf die Matte zurück, und eine Träne rann ihr über die Wange. In einer Hinsicht hatte Hassan recht. Mary war überzeugt, dass der Gatte einen Versuch unternahm, um sie zu retten. Und dann warteten die Sklavenhändler auf ihn. So wie sie ihn kannte, würde er sich wehren und bestimmt nicht lebend gefangen genommen werden. Dann war die Tochter allein und schutzlos sich selbst überlassen und hatte keine andere Möglichkeit, als ins Lager zurückzukehren. Vor Verzweiflung ballte Mary die Hände und überlegte, wie sie Cameron die Nachricht zukommen lassen könne, mit der Tochter zu fliehen. Aber sie wusste, dass er dieser Bitte nie entsprechen würde. Solange er glaubte, dass sie am Leben war, würde er sie zu befreien suchen und in sein Verderben rennen. Sie beide hatten sich auf dem langen Weg zum Dscharengpass gefunden, die Tochter aufgespürt und sollten nun alles verlieren. Mary wurde sich bewusst, dass nur ihr Tod die beiden Menschen retten würde, die ihr das Liebste auf Erden waren.
Die nach Schweiß, Tabak und ranzigem Fett riechende Luft im Zelt wurde wieder stickig, und erneut hob Mary sich der Magen. Sie biss die Zähne zusammen, um sich nicht erbrechen zu müssen, und fragte sich bestürzt, was mit ihr los sei. Seit Tagen war ihr unwohl, und dieser Zustand schien sich nicht zu bessern. In einer solchen Verfassung war sie nur gewesen, als sie die Tochter unter dem Herzen getragen hatte. Du lieber Himmel, das durfte nicht wahr sein! Wie vom Donner gerührt, starrte Mary in die Finsternis und grübelte darüber nach, ob sie
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