HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
musste an Richmond und die ersten Kriegstage denken – und an Lydia und ihre Prachtvilla, an ihr Geld und ihre Begabung, die vergnüglichsten Feste der ganzen Stadt zu organisieren. Lydia war eine Blenderin, immer lustig, immer am Lachen, immer von einem Schwarm junger Offiziere umgeben. Auch er selbst war gegen ihren Charme nicht immun gewesen. Aber da sie Virgils Mädchen gewesen war, hatte er sich zurückgehalten.
Hätte er das nur nicht getan! Vielleicht hätte er ihr tödliches Spiel dann rechtzeitig durchschaut.
Jetzt öffnete sich die Hüttentür. Annie und Katy, ihre kleine rothaarige Schwester, kamen die Stufen heruntergetrappelt, in ihre hässlichen Flickenmäntel eingehüllt. Sie winkten ihm zu, als sie über den Hof zum Schluchtpfad gingen.
„Moment, ihr beiden, wohin geht ihr?“ Donovan legte die Axt ab. Er fasste sich an den schmerzenden Nacken und begann ihn zu massieren.
„Wir gehen zur Schule“, zwitscherte die sommersprossige Annie. „Das machen wir immer unter der Woche.“
„Zu Miss Sarah?“ Seine Stimme triefte vor Verachtung.
„Klar. Miss Sarah sagt, Mädchen, die lesen und schreiben können, kriegen alles, was sie nur wollen. Ich bin schon im zweiten Lesekurs, und Katy …“
„Geht zurück ins Haus“, fauchte Donovan. „Heute geht ihr nirgendwohin, eure Mutter braucht eure Hilfe.“
Annie hob das Kinn und drückte die Hand ihrer Schwester fester. „Wir wollten ja bleiben. Mum sagt, sie kommt allein zurecht. Das Lernen ist wichtig. Wir dürfen nichts verpassen, auch heute nicht.“
Donovan seufzte. „Nun dann. Geht also. Aber seid vorsichtig. Rutscht im Schnee nicht aus.“
Seine Warnung verhallte ungehört. Die beiden kleinen Mädchen tollten schon auf der Lichtung und verschwanden dann zwischen den Bäumen. Donovan sah ihnen nach, in ihm braute sich Ärger zusammen. Was würde Varina wohl sagen, wenn sie erfuhr, dass eine Spionin der Yankees ihre beiden Töchter unterrichtete? Vielleicht war es an der Zeit, es ihr zu verraten.
Er schlug die Axt in den Block und ging in die Hütte. Dort saß Varina mit ihrem neugeborenen Sohn im Arm im Bett, die Haare vom Schlaf zerzaust, mit tiefen Schatten unter den Augen, aber einem madonnagleichen Lächeln auf den Lippen.
„Ich muss immer an Charlie denken und daran, wie viel Freude er an diesem Würmchen gehabt hätte“, sagte sie. „Zugegeben, er hat nicht sehr gut für uns gesorgt. Aber dafür hat er seine Kinder geliebt.“ Liebevoll betrachtete sie den vierjährigen Samuel, der wie ein kleiner Hund vor dem Bett kauerte. „Ich hoffe nur, dass sie das nie vergessen.“
Donovan setzt sich auf einen Schemel, seine Schwester tat ihm unendlich leid. „Sowie du reisen kannst, werde ich euch alle nach Kansas mitnehmen. Ihr werdet in einem ordentlichen Haus wohnen. Deine Töchter werden ordentliche Kleider tragen und eine ordentliche Schule besuchen. Und wenn deine Söhne alt genug sind …“
„Nein.“ Varinas sonst eher sanfte Stimme klang ungewöhnlich scharf, und Donovan sah sie bestürzt an.
„Ich werde Miner’s Gulch nicht verlassen. Der Claim hat Charlie so viel bedeutet, und jetzt gehört er mir. Ich weiß, du meinst es gut. Aber ich werde nicht nach Kansas gehen und dort auf Kosten anderer leben. Nicht mal auf Rechnung meines Bruders.“
Donovan verzog verärgert den Mund. Wie hatte er nur vergessen können, wie dickschädelig seine Schwester sein konnte? „Verdammt, Varina. Sieh dich mal um! Selbst die Sklaven haben auf White Oaks besser gelebt als du hier!“
„White Oaks ist Vergangenheit. Wir sind heutzutage nichts Besseres als jeder andere – wenn wir es überhaupt jemals waren.“
„Varina.“
„Nein, du hörst mir zu. Ich habe dir ein Geschäft vorzuschlagen.“
Donovan seufzte. „Wenn du von mir erwartest, dass ich hierbleibe und Gold schürfe …“
„Der Claim gehört mir und den Kindern. Nur, wir schaffen das nicht allein. Für deine Hilfe würde ich dir die Hälfte der Gewinne abtreten. Charlie meinte, er wäre dem Erfolg so nah, würde bald auf die Goldader stoßen …“
„Hör auf, Varina.“ Donovan wusste, dass es grausam war, aber es musste gesagt werden. „Charlie jagte hinter einer Chimäre her. Jedermann weiß, dass in dieser Gegend seit Jahren kein Gold mehr gefunden wurde. Auch wenn das anders wäre, ich bin kein Schürfer, sondern ein Gesetzeshüter.“
„Wie lange noch?“ Varina griff nach seinem Arm. „Wie viel Zeit bleibt dir noch, bis dir irgendein jugendlicher
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