HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Yankee-Sarah, wie er sie im Stillen betitelte, ihren Pflichten nachgehen konnte. Mit vier großen Schritten hatte er die Hütte durchquert, in der es inzwischen mächtig heiß war, und trat nun auf den verschneiten Platz vor der Tür. Er schloss sie hinter sich und ließ sich erschöpft gegen den Rahmen sinken. Dann begann er, sich den verspannten Nacken zu massieren.
Es war geschafft. Das Baby war da und Varina am Leben. Dafür schuldete er der kühlen Miss Sarah Parker Dank, wer auch immer sie war. Wenn sie nicht rechtzeitig gekommen wäre …
Er verdrängte den Gedanken, während er das Schneegestöber betrachtete. Immerhin war sie zur Stelle gewesen und hatte das getan, wozu er zu feige gewesen war. Aus einem Buch hatte sie ihre Kenntnisse! Großer Gott, die Frau musste Nerven aus Stahl haben.
Langsam schlenderte er den Pfad entlang, der von der Hütte wegführte. Während der Schnee auf ihn niederfiel, ging ihm nicht aus dem Sinn, wie sie sich ohne Brille und verschwitzt über Varina gebeugt hatte. Irgendeine Erinnerung verfolgte ihn …
Unmerklich trat eine ganz andere Szene in sein Bewusstsein. Er sah die Lüster eines festlichen Ballsaales, hörte die Klänge einer heiteren Tanzmusik, dachte an graue Uniformen mit goldenen Schulterstücken, das Rascheln eines malvenfarbenen Kleides, eine Hand im Spitzenhandschuh auf Virgils Schulter … und dann das Gesicht der Frau, mit der er tanzte, ein schönes, fröhliches, sensibles – es war ihm gelungen, es fast zu vergessen.
Hinter sich hörte er Sarah die Hütte verlassen. „Ich gehe jetzt“, sagte sie sanft. „Varina und das Baby ruhen. Auf dem Herd steht Fleischbrühe.“ Sie zögerte, als Donovan sich umdrehte und auf sie zutrat. Dann gab sie sich einen Ruck. Nervös setzte sie hinzu: „Ich komme bei der Hütte von Mr. Ordway vorbei und schicke die Kinder nach Hause. Das schaffen sie. Es ist nicht weit, und Annie kennt den Weg. Passen Sie auf, dass sie ihre Mutter nicht zu sehr strapazieren. Varina braucht viel Ruhe.“
Er hatte sich dicht vor ihr aufgebaut. Mit Schnee auf den Brillengläsern und halb geöffneten Lippen blickte sie ihn angestrengt an. „Ich muss gehen. Das Wetter wird immer schlechter.“
„Moment.“ Donovan fasste nach ihrem Ellbogen. Eigentlich hatte er ihr danken wollen, aber jetzt stand er wie angewurzelt da und konnte den Blick nicht von ihr wenden.
Die Ähnlichkeit ist nur zufällig, sagte er sich. Aber wieso erinnert mich ausgerechnet eine prüde alte Yankee-Jungfer an sie? Das ist unheimlich. Verwirrt quälte er sich mit bittersüßen Gedanken. Vergiss es!, riet ihm die Vernunft. Lass sie gehen, und mach keinen Narren aus dir. Aber das war leichter gesagt als getan. Lange unterdrückte Gefühle forderten ihr Recht.
Verwirrt räusperte sie sich. „Machen Sie sich wegen des Babys keine Sorgen. Annie kennt sich gut aus.“ Sie keuchte, als ihr Donovan die Brille von der Nase nahm und sie auf ihre Brust fallen ließ, und drehte sich schnell zur Seite, damit er ihr nicht mehr ins Gesicht sehen konnte. Was war nur los mit ihr? Warum sollte er sie nicht ansehen? Wusste sie nicht, wie hübsch sie sein könnte – ohne diese Altweiberbrille und die strenge Frisur? Jemand sollte es ihr sagen, überlegte er, es ihr zeigen!
Er wusste selbst nicht, welcher Teufel ihn ritt. Aber spontan umfasste er ihren Arm fester und zwang sie stehenzubleiben. „Sieh mich an, Sarah.“ Seine Stimme krächzte. „Lass mich die wahre Sarah sehen.“
„Lassen Sie mich gehen.“ Sie war offensichtlich in Panik. Ein Gentleman hätte sie sofort losgelassen. Nicht so Donovan. Der hatte den Kavalier irgendwo zwischen Camp Douglas und Kiowa County abgelegt. Außerdem bewegte er sich sowieso schon außerhalb von Sitte und Anstand. Da konnte er diese Geschichte auch ganz zum Ende bringen – koste es, was es wolle.
Er fasste unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht. „Verdammt. Ich will dir nichts tun. Halt einfach still und vertrau mir.“
Als Antwort trat sie ihm vors Schienbein. Er verbiss den Schmerz und machte sich an ihrer scheußlichen Frisur zu schaffen. Als ihr das Haar endlich lose über die Schultern fiel, stockte ihm der Atem.
„Donovan, nein!“ Mit einem Aufschrei riss sie sich los. Sie strauchelte und stolperte über einen Haufen Brennholz, verhaspelte sich im Rocksaum, fing sich wieder und wandte sich ihm nochmals zu, wobei sie sich duckte.
Donovan? In der Hütte bei Varina hatte sie ihn Mr. Cole genannt. Irritiert trat er einen Schritt
Weitere Kostenlose Bücher