HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Sollte er aber nicht heimkehren – ihre Stimme bebte an dieser Stelle –, würde sie an seiner Stelle für alle sorgen. Wenn jemand weggehen wollte, stand ihm das frei. Allerdings sei es gefährlich, durchs Land zu streifen, da viele Kopfjäger unterwegs waren. Wenn einer sie erwischte, würde er sie woandershin verkaufen. Also sei es nicht gefährlicher, zu bleiben und Wildwood zu verteidigen, falls die Yankees kämen.
Im Lauf der nächsten Woche verschwanden noch einmal zwanzig Sklaven. In der folgenden Woche elf, aber von diesen kamen acht zurück, nachdem sie fünf Tage lang gehungert hatten und von Kopfjägern mit Bluthunden gejagt worden waren.
Als Shanna abends über den Journalen saß, stellte sie fest, dass sie kaum noch fünfzig Arbeiter hatte. Diejenigen, die nicht zurückgekommen waren, würden ein elendes Leben fristen. Diejenigen, die wieder da waren, trauten ihr auch nicht. Nur Hunger und Angst hatten sie zurückgetrieben!
Am zweiten November erhielt General Sherman die Erlaubnis, Atlanta zu verlassen und zu seinem Endziel zu marschieren: dem Meer. Seine Soldaten bekamen Proviant für zwanzig Tage, danach mussten sie sich von dem ernähren, was das Land hergab. Jeder der vier Truppenteile, mit Ambulanzen, die von Maultieren gezogen wurden, zog sich fünf Meilen entlang paralleler Straßen hin. Pferde, Maultiere, Vieh durften requiriert werden, um den schwindenden Proviant für die Armee aufzustocken. Neger sollten mitgenommen werden, um beim Straßenbau oder anderen schweren Arbeiten zu helfen.
Als Shermans Armee Atlanta verließ, lag die halbe Stadt in Schutt und Asche, da der Oberingenieur der Unionstruppen, Captain Poe, den Industriebezirk hatte anzünden lassen. Der Himmel war blutrot. Dicke schwarze Rauchwolken stiegen empor. Die Flammen verzehrten die Ölmühlen und die Munition aus dem Arsenal.
Sherman verließ Atlanta und zog über verwüstetes Land dahin. Atlanta war besiegt, aber die Menschen gaben sich nicht geschlagen. Innerhalb von nur drei Wochen erschienen die ersten Zeitungen wieder, ein Postamt war eröffnet, und überall wurde am Wiederaufbau gearbeitet.
15. KAPITEL
„Miss Shanna, schauen Sie!“ Eine Frau berührte sie am Arm.
Shanna richtete sich auf. Der Rücken schmerzte. Ihr Blick folgte der ausgestreckten Hand. Sie half einen Teil des Rasens hinter den Stallungen umzugraben, um dort Gemüse anzupflanzen. Es war ein schwüler Tag. Nebelschwaden zogen vom Fluss herüber. Sie betete, dass ein Sturm käme und Kühlung brächte, damit ihre Kleider nicht mehr so ekelhaft am Körper klebten. „Ist das nicht ein Soldat?“
Ein Soldat! Lieber Gott, das konnte nicht sein! Den letzten Meldungen nach war die Unions-Armee außerhalb von Macon. Bei dem Dunst konnte sie den Reiter nicht genau erkennen. Dann stolperte das erschöpfte Pferd. Der Reiter trieb es fluchend weiter, bis er auf ihrer Höhe war.
Ein hageres, bärtiges Gesicht schaute auf sie herab. Eiskalte blaue Augen musterten sie von Kopf bis Fuß, ohne sie zu erkennen. Die graue Uniform war zerrissen und vorn offen. Er trug kein Hemd. Das Blut auf dem dicken Verband um die Brust war längst angetrocknet.
„Hilf mir runter, Mädel!“, fuhr er sie barsch an und glitt aus dem Sattel.
Der Schock des Erkennens ließ Shanna wie angewurzelt stehenbleiben. Als er sich am Sattelknopf festhielt, schlang sie die Arme um ihn. Tränen standen in ihren Augen. Sie konnte kaum sprechen.
„Rafe! Gott sei Dank! Du lebst und bist zu uns zurückgekommen.“
Die blauen Augen verloren etwas von ihrer Kälte, als er ihr tränenüberströmtes Gesicht betrachtete. Dann löste sich ein tiefes Lachen aus seiner Kehle.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin, dieses hübsche Gesicht wiederzusehen …“ Seine Stimme war schwach. Shanna vermutete, dass er seit vielen Tagen nichts gegessen hatte. Endlich zog er sie an seine Brust und hielt sie fest. Sein leidenschaftlicher, wilder Kuss war so hungrig, dass sie Angst bekam.
Als sie ihn wegschieben wollte, stöhnte er auf und glitt zu Boden. Da er sie immer noch in den Armen hielt, lag auch sie neben ihm im Gras …
„Bitte, lieg still, sonst fängt deine Wunde wieder an zu bluten“, flehte Shanna; aber sie bezweifelte, dass Rafe sie hörte. Sie musste ihn mit aller Kraft niederdrücken, bis er wieder ruhig war. An der linken Schulter hatte er eine kaum verheilte Wunde.
Innerhalb von nur drei Stunden hatte sie bereits dreimal den Verband wechseln müssen, den sie auf die
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