HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
dazu bringen, uns mitzuteilen, wer die verdächtigen Personen sind, die hinter diesen ganzen Angelegenheiten stecken.“
„Es müssen Ungeheuer sein“, meinte ihre Mutter und schüttelte traurig den Kopf. „Ich kann einfach nicht begreifen, wie ein Mensch anderen gegenüber so gefühllos sein kann. Wir haben euch Kindern stets beigebracht, Mitmenschen zu respektieren, vor allem wenn sie weniger Glück als wir haben. Doch diese Leute, die Edmund entlarven will, beuten sie nur aus.“
„Sie haben wahrscheinlich noch nie von der Goldenen Regel gehört“, sagte Mr. Renfrew. „Jedenfalls scheinen sie nichts davon zu halten, dass man andere so behandelt, wie man selbst behandelt werden möchte. Solchen Kerlen ist doch nur wichtig, welche ihrer verdammten Schweinereien ihnen das meiste Geld einbringt.“
„Mr. Renfrew!“, rief ihre Mutter empört. „Achte auf deine Ausdrucksweise! Du willst doch nicht die zarten Ohren deiner Tochter mit einer derart unflätigen Sprache beschmutzen.“
Lilly lächelte in sich hinein. Wenn ihre Mutter wüsste, welche Flüche sie während ihrer Besuche in Barbary Coast bereits gehört hatte. Zum Glück verstand sie die meisten nicht einmal. Vermutlich wäre sie sonst ununterbrochen rot geworden. Sie mochte zwar so manche Prostituierte kennengelernt haben, doch die Einzelheiten ihres Tuns stellten für sie noch immer ein Geheimnis dar. Einerseits war sie froh, dass sie bisher ihre Unschuld noch bewahrt hatte. Andererseits sehnte sie sich danach, mehr zu erfahren.
Vor allem, seit sie Deegan kannte.
Wie wunderbar es sein muss, von einem Mann geliebt zu werden, dachte sie. Doch ihr war ein anderes Schicksal bestimmt. Selbst wenn Deegan sich von ihr angezogen fühlte, so war es doch ihre Pflicht, ihren Eltern zur Seite zu stehen und ihnen den Haushalt zu führen. Wenn sie einmal tot waren, wäre es zu spät für sie, noch zu heiraten. Kein Mann würde so lange auf eine Frau warten wollen.
Früher einmal hatte sie sich keine andere Zukunft gewünscht. Zumindest hatte sie sich damit abgefunden. Doch jetzt quälte diese Vorstellung sie geradezu. Und das nur, weil sie vor ein paar Tagen einen Mann kennengelernt hatte, der sie faszinierte.
Es war sinnlos, mit ihrem Schicksal zu hadern. Sie musste sich auf die nächste Zukunft konzentrieren, wozu auch ein Abend mit der gesellschaftlichen Elite der Stadt gehörte. Selbst in ihren wildesten Träumen hätte sie sich niemals vorstellen können, dass sich ihr einmal eine solche Gelegenheit bieten würde. Sie hatte die Chance, sich für ihre graue Zukunft ein paar schöne Erinnerungen zu bewahren. Außerdem wollte sie versuchen, mit Mrs. Abbots Freunden ins Gespräch zu kommen, und darauf hoffen, dass sie sich eines Tages an sie erinnerten, wenn sie eine Porträtaufnahme machen lassen wollten. Solche Kunden würden ihr späteres Geschäft ankurbeln, und so musste sie sich dazu zwingen, sich gesellschaftlich gewandt zu zeigen – so schwer ihr das auch fallen mochte.
„Was steht sonst noch in der Zeitung, Papa?“, fragte sie und schnitt den Faden für das Futter ab.
„Vielleicht solltest du den Gesellschaftsteil vorlesen, mein Lieber“, schlug ihre Mutter vor. „Für Lilly ist es bestimmt interessant, was die Leute, die sie nun bald kennenlernen wird, alles so machen. Meinst du nicht, Schatz?“
Noch ehe Lilly zu antworten vermochte, schnaufte ihr Vater empört. „Darüber kann sie doch nicht sprechen, wenn sie diese Leute trifft. Internationale Politik und was so alles in der Welt geschieht, das ist doch viel spannender.“
„Unsinn!“, erwiderte seine Frau. „Ich glaube kaum, dass sich diese Leute überhaupt dafür interessieren, was so alles im Ausland passiert. Schließlich sind sie nicht gerade erst eingewandert. Ihnen wird das Geschehen hier bei uns im Land viel mehr am Herzen liegen.“
Obgleich die Miene ihres Mannes deutlich zeigte, dass er nicht mit der Meinung seiner Frau einverstanden war, schaute er die Zeitung nach einem Artikel durch, der sie interessieren könnte.
„Blitz und Donner!“, rief er plötzlich und setzte sich aufrecht hin. „Hier ist etwas, das Edmund genauer untersuchen sollte.“
„Was denn, Papa?“, fragte Lilly.
Er schüttelte den Kopf. „So etwas solltest du wahrscheinlich nicht erfahren, meine Liebe. Es ist außerdem bestimmt nichts, worüber diese gedankenlosen Leute von Nob Hill klatschen würden.“
„Das kann man nie wissen“, meinte Mrs. Renfrew. „Wenn du meinst, dass Edmund
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