HISTORICAL EXCLUSIV Band 21

selbst zugrunde gehen sollte.
    Wenn Severn und der Unbekannte herausfanden, wer er war, war es sowieso um ihn geschehen.
    Deegan legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es leicht an, sodass sie ihn ansehen musste. Er verlor sich ein letztes Mal in den Tiefen ihrer wunderschönen Augen. „Und ich liebe dich“, sagte er. „Du bist mein Leben.“
    Das waren die ehrlichsten Worte, die er jemals ausgesprochen hatte, denn ohne Lilly hätte er ebenso gut tot sein können. Er würde nichts mehr haben, wofür es sich zu leben lohnte.
    Lilly stand wartend im Schatten eines Hauseingangs. Sie befand sich nur einen Block von der Stelle entfernt, wo Belle Tauber ermordet worden war. Eine Kamera samt Stativ und eine Tasche mit Fotoplatten, die ihr von der „Pinkerton Agency“ zur Verfügung gestellt worden waren, lehnten an der Wand neben ihr. Obgleich sie wieder Frauenkleider trug, fühlte sie sich gar nicht wie sie selbst. Sie wusste nicht, ob es an ihren Nerven lag, an den Ereignissen der letzten Tage oder an der Tatsache, dass sie die Nacht in Deegans Armen verbracht hatte. Vielleicht waren es alle drei Gründe, auch wenn der letzte der einzige war, worüber sie am liebsten nachsinnen wollte. Doch jetzt war weder die Zeit noch der richtige Ort dafür.
    Seitdem sie von Severns Handlanger geweckt worden waren, hatten die Dinge sich überschlagen. Pierce Abbot war früher als erwartet zu Hannah zurückgekehrt, hatte ihre Sachen mitgebracht und war in Finleys Plan eingeweiht worden. Der Detektiv hatte sich kurz danach verabschiedet, um weitere Agenten anzuheuern, die ihnen helfen sollten. Deegan war so lange wie möglich dageblieben, ehe er zu seinem Treffen mit Severn aufbrach. Dadurch hatte er Finley die Möglichkeit verschafft, seine Männer an den richtigen Ort zu bringen, ohne dass jemand eine Falle vermutete.
    Hannah war als Letzte gegangen. Schließlich saßen nur noch Abbot und Lilly in ihrer Wohnung. Pierce beobachtete, wie die ältere Frau davonging und von zwei von Severns Handlangern sogleich verfolgt wurde. Einer von ihnen war ihr so dicht auf den Fersen, dass er ihr beinahe auf den Rock trat, als sie um eine Ecke bog.
    Lilly hoffte inbrünstig, dies bedeute nicht, dass Severn Hannah zu sich bringen ließ. Es war ihr sehr unangenehm, dass Hannah sich ihretwegen in Gefahr begab, aber trotz ihrer und Deegans Protesten war sie nicht davon abzubringen gewesen. Sie hatte behauptet, sie tue nichts anderes, als Severn und seine Männer hereinzulegen, und war fröhlich summend aus dem Haus gegangen.
    Der Plan war erstaunlich einfach. Wenn Hannah mit dem Metzger und dem Gemüsehändler sprach, sollte sie wie zufällig erwähnen, sie habe zu ihrer Freude Miss Lilly wiedergesehen. Sobald sie es an der Zeit fände, sollte sie die Stimme senken und so tun, als ob sie ein Geheimnis verraten würde. Severns Männer sollten sie dabei aber deutlich hören. Auf diese Weise würden sie erfahren, wo sie Lilly angeblich treffen wollte.
    Natürlich folgte auch einer von Finleys Männern Hannah und Severns Handlangern. Sobald diese verschwunden waren, um ihrem Auftraggeber die Nachricht zu übermitteln, sollte Hannah in Sicherheit gebracht werden, und die Detektive würden ihr Netz enger ziehen. Wenn die Falle zuschnappte, säßen Severn und sein Partner fest.
    Lilly war sich noch immer nicht darüber im Klaren, woher sie wissen sollten, wann sie den geheimnisvollen Mann gefangen hatten. Finley schien sich recht sicher zu sein, was sie hätte beruhigen sollen. Das tat es aber nicht, da sie wusste, dass Deegan sich mitten in die Höhle des Löwen begab, ohne auch nur einen einzigen Mann als Rückendeckung zu haben. Sie machte sich mehr Sorgen um seine Sicherheit als um ihre eigene. Sie war schließlich von Detektiven umringt.
    Was mag er gerade tun?, fragte sie sich im Stillen. Saß er gemeinsam mit Severn in einer Bar, gut aussehend und draufgängerisch, während seine Pistole sich verborgen unter seiner Weste befand? Als er sie sich eingesteckt hatte, hatte er plötzlich anders gewirkt: wie ein Mann, dem der Tod kein Unbekannter war.
    War das Digger O’Rourke? Und konnte sie ihn wirklich lieben? Sie hatte sich in Deegan Galloway verliebt und sich ihm ganz hingegeben. Aber war er wirklich der Mann, für den sie ihn gehalten hatte?
    Auf der anderen Seite der Gasse wurde ein Fenster hochgeschoben, und eine Frau mit einem Tischtuch in der Hand erschien. Lilly erstarrte vor Anspannung, als die Agentin das Tischtuch aus dem Fenster