HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
auch nicht alles zugeben. Auf keinen Fall sollte der Ire wissen, was im Schlafzimmer des Vikars passiert war. „Sie ist zum Glück zu unschuldig, um einordnen zu können, was sie sah“, antwortete er und versuchte das Schuldgefühl, das an ihm nagte, zu unterdrücken, da auch er ihr etwas von jener Unschuld genommen hatte.
„Und auch ein wenig zu überspannt“, meinte Finn, während er Seiner Lordschaft aus dem Mantel half.
Als Ashdowne Finns herablassende Beurteilung hörte, wollte etwas in ihm Georgiana in Schutz nehmen. „Sie ist keineswegs so dumm, wie es scheint“, murmelte er. „Schließlich erwischte sie Whalsey und Cheever bei einem Diebstahl, wenn es auch nicht der richtige war.“ Hinter ihrem oftmals verrückten Gebaren besaß die junge Dame einen wachen Geist – allzu wach, dachte Ashdowne. Zum Glück besaß sie aber auch eine blühende Fantasie.
Vielleicht war es das, was ihn so anzog. Ob sie sich nun mit Wirklichem oder mit Eingebildetem beschäftigte, Georgiana hatte stets etwas, mit dem sie sich auseinandersetzte. Selbst eine banale Abendgesellschaft wurde durch ihre Versuche, Geheimnisse auszukundschaften, aufregend, und ganz nebenbei entdeckte sie auch noch ein oder zwei tatsächliche Verschwörungen.
Und dann die ganzen Katastrophen, die währenddessen passierten! Solange niemand verletzt wurde, waren sie, wie Ashdowne zugeben musste, meist belustigend. Ihre verdrehten Ideen stellten sich als viel unterhaltsamer heraus als ein Abend im Theater. Ashdowne grinste. Was auch immer geschah, die junge Dame verlor nie ihre Begeisterung, ob sie nun ins Orchester stürzte oder Whalsey fälschlicherweise beschuldigte – Georgiana war stets ganz bei der Sache.
„Vielleicht ist sie ja zu klug“, stichelte Finn.
„Vielleicht“, erwiderte Ashdowne, wobei er wieder an seine bevorstehende Aufgabe dachte. Georgianas Familie war zwar sehr nett, doch man konnte ihr nicht zutrauen, dass sie hinreichend auf das Mädchen aufpasste. Keiner verstand sie, und niemand erahnte auch nur im Entferntesten, in welch heikle Lagen sie zu geraten vermochte – außer ihm. Deshalb hatte er auch Finn zu sich gebeten.
„Ich habe eine Aufgabe für dich“, sagte Ashdowne und betrachtete seinen Butler.
Finn legte den Mantel über seinen Arm und nickte. „Soll ich nachsehen, was der Vikar so treibt?“, erkundigte er sich grinsend.
Auch Seine Lordschaft lächelte, schüttelte jedoch den Kopf. „Nein, nicht der Vikar. Er stellt keine Bedrohung dar. Ich möchte, dass du Miss Bellewether beobachtest. Sobald ich kein Auge mehr auf sie habe, wird sie sicher wieder Dummheiten anstellen.“
„Glauben Sie, dass sie tatsächlich auf einer Fährte ist?“, fragte Finn und warf seinem Arbeitgeber einen scharfen Blick zu. Wieder schüttelte Ashdowne den Kopf. Es berührte ihn seltsam, dass er auf einmal den Drang verspürte, sich schützend vor Georgiana zu stellen. Er hatte sich selbst nie als einen Ehrenmann betrachtet, doch er brachte es nicht fertig, einfach nur zuzuschauen, wie sie in eine Lage geriet, deren sie nicht mehr Herr wurde.
Eine Weile sprach keiner der beiden. Finn betrachtete den Marquess aufmerksam. „Sie interessieren sich wohl sehr für das Mädchen?“
Ashdowne hob eine Braue. Man konnte seine Gefühle für Miss Bellewether wohl kaum mit derartigen Worten beschreiben. Er wollte diese Empfindungen aber auch nicht allzu genau betrachten, geschweige denn vor seinem Diener ausbreiten. Wie so oft verrieten seine Gesichtszüge nichts außer Nüchternheit, als er seinen Freund anstarrte.
„Beobachte sie einfach, Finn. Ich traue es niemand anderem zu.“
Der Bedienstete nickte. „In Ordnung, aber nur wenn Sie zugeben, dass Miss Bellewether es Ihnen angetan hat“, verlangte er, während seine Augen funkelten.
Der Marquess lachte ein wenig gequält. „Ich finde sie interessant, ja.“ Georgiana war so vieles, dass es schwierig gewesen wäre, all ihre faszinierenden Facetten in Worte zu fassen. Aber er hatte das Gefühl, dass Finn das Thema nicht fallen lassen würde, bevor er nicht mehr gehört hatte. Für einen Augenblick schwieg er und stellte sich Georgiana vor. Dann lächelte er. „Wann hast du das letzte Mal eine Frau kennengelernt, die sich rückhaltlos für etwas begeistern kann?“, erkundigte er sich.
Grinsend erwähnte der Diener eine gewisse Dame der mondänen Gesellschaft, die für ihre wilden Affären berüchtigt war.
Ashdowne lachte. „Ich meine nicht diese Art von Begeisterung. Ich
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