HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
stehlen.
Sie musste nicht lange nach Ashdowne Ausschau halten. Kaum hatte sie das Gebäude betreten, da hörte sie auch schon davon reden, dass der Marquess anwesend sei. Georgiana war für einen Augenblick verärgert. Warum konnte der Mann sich nicht weniger auffällig geben? Wenn er sich doch nur verkleiden würde, wie sie vorgeschlagen hatte! Wenn er doch jemand anderes wäre als ein reicher, attraktiver Aristokrat! Aber dann wäre er nicht Ashdowne gewesen, und sie hätte sich auch niemals für ihn interessiert.
Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge, wobei sie von Zeit zu Zeit stehen blieb, um den Gesprächen um sie herum zu lauschen. Was sie diesmal hörte, gefiel ihr allerdings gar nicht. Man sprach über den Marquess und seine Schwägerin.
Ashdowne hatte heute Morgen nichts von der Ankunft seiner Verwandten gesagt, als er mit ihren Fingern spielte. Während sie an ihrem Handschuh zog, wurde ihr allerdings klar, dass sich die Gelegenheit für ein Gespräch gar nicht ergeben hatte. Aber warum verabredete er sich mit ihr, wenn sein Besuch ihn in Anspruch nahm?
Georgianas Unruhe wurde durch den Klatsch, den sie hörte, noch verstärkt. Mehrfach vernahm sie, wie turbantragende Matronen das hübsche Paar, das die beiden darstellten, bewunderten: Ashdowne und die Witwe seines Bruders. Es wurde auch die Vermutung geäußert, dass er die trauernde Dame auf dem Familiensitz, wo sie beide wohnten, wohl getröstet hätte.
Das alles ist nur giftiger Tratsch von verärgerten Müttern und ihren neidischen Töchtern, dachte sich Georgiana. Es ging sie sowieso nichts an. Doch als sie die beiden dann sah, spürte sie in ihrem neu entdeckten Herzen einen Stich. Ashdownes Schwägerin war schön. Groß und schlank, mit dunklem, seidigem Haar, das sie elegant hochgesteckt hatte, bewegte sie sich mit einer Grazie, die Georgiana das Gefühl vermittelte, selbst ein Trampeltier zu sein. Das plötzliche Bewusstwerden möglicher eigener Makel ließ sie noch ungeschickter werden; sie stieß gegen einen Stuhl und hätte beinahe dem darauf sitzenden Mann die Perücke vom Kopf gefegt.
Hektisch versuchte sie dem empörten Gentleman das Haar wieder zurechtzurücken, ohne dabei Ashdownes Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zum Glück schien der Marquess so mit seiner hübschen Verwandten beschäftigt zu sein, dass er niemand anderen wahrnahm. Georgiana sah zu, wie er sich zu seiner Schwägerin beugte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Die Dame lächelte schüchtern. Der Mund zitterte Georgiana gefährlich, während sie gegen Tränen ankämpfte. Es war einfach lächerlich. Sie weinte nie!
Aber sie hatte auch noch nie so schreckliche Eifersucht empfunden. Es war ihr nicht entgangen, dass sie äußerst besitzergreifende Regungen verspürte, seitdem sie ihren Assistenten angestellt hatte; es war ihr kaum möglich, ihn mit anderen zu teilen. Doch ihre kichernden Schwestern und die affektierten Damen von Bath, die es auf seinen Titel abgesehen hatten, waren eine Sache, seine elegante Schwägerin eine ganz andere.
Diese Frau war offensichtlich nicht hinter seinem Titel her und kicherte garantiert nicht. Sie zeigte sich vielmehr so gelassen und vornehm, dass Georgiana sich laut, aufgeregt, geschmacklos und unsicher fühlte. Diese Dame besaß nicht nur all das, was ihr selber fehlte – sie war auch noch mit Ashdowne verwandt. Sie teilte eine Vergangenheit und eine Verbindung mit ihm, die sich niemals auflösen würde.
Georgiana wusste zwar, dass ihr die arme Witwe eigentlich leidtun und sie sich freuen sollte, dass die beiden Hinterbliebenen ihre Trauer teilen konnten; aber stattdessen entwickelte sie eine unüberwindliche Abneigung gegen Ashdownes Schwägerin und im Besonderen gegen deren weibliche Ausstrahlung. Der Kampf, der in ihrem Inneren tobte, war mehr als erniedrigend. Er war unerträglich.
Anstatt also auf den Marquess und seine schöne Schwägerin zuzugehen, drehte sie sich um und floh aus dem „Pump Room“. Sie wollte Ashdowne dieses schreckliche, verdrehte Wesen nicht sehen lassen, in das sie sich verwandelt hatte. Auch wollte sie die Frau seines Bruders nicht freundlich begrüßen, wenn sie sie in Wirklichkeit hasste.
Georgiana reckte die Schultern und schaute sich nach Mr. Jeffries um. Es war an der Zeit, ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Fall zu richten und ihr Herz zu vergessen. Eine knifflige Ermittlung war genau das, was sie brauchte, um sich von diesen weiblichen Schwächen ein für alle Mal zu befreien. Vielleicht
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