HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
allein weiter, um ihren nächsten Schritt zu planen.
Sie hatte zwar nicht vor, sich von ihrem neuesten Verdächtigen einschüchtern zu lassen, doch ihr war klar, dass er nicht aus demselben Holz wie Whalsey oder Hawkins geschnitzt war. Er war viel zu klug, um sich zu verraten, und er war sicher kein Mann, den man einfach so observieren konnte, ohne entdeckt zu werden. Mr. Savonierre war eine weit größere Herausforderung als die anderen und viel schwerer zu entlarven.
Georgiana versetzte es einen Stich, als ihr auf einmal die Abwesenheit ihres Assistenten zu Bewusstsein kam. Aber sie redete sich ein, dass es besser sei, allein zu arbeiten, vor allem, wenn man an die Feindseligkeit dachte, die zwischen Ashdowne und Savonierre herrschte. Wie zwei Raubtiere hatten die beiden einander im „Pump Room“ umkreist. Geschmeidig, elegant und tödlich, so waren sie ihr erschienen, und sie hatte bei ihrem Anblick an zwei Großkatzen gedacht.
Auf einmal hielt sie inne. Natürlich, die Katze ! Der Einfall veranlasste sie, schockiert mitten auf dem Gehweg stehen zu bleiben. Die ganze Zeit über war sie das Gefühl nicht losgeworden, dass sie etwas übersehen hatte, dass ihr irgendein Bindeglied fehlte. Nun erinnerte sie sich plötzlich mit größter Deutlichkeit. Der Einbruch bei Lady Culpepper hatte Ähnlichkeit mit einem anderen, der nicht hier in Bath, sondern in London stattgefunden hatte. Und nicht nur mit einem …
Georgiana hatte seit Jahren sämtliche aufsehenerregenden Fälle, die die Londoner Polizei und die sonstigen Ermittler beschäftigten, mit Interesse verfolgt. Einer der berüchtigtsten Einbrecher in dieser Zeit war die Katze gewesen.
Keiner kannte seine wirkliche Identität, da er nie ertappt worden war. Man hatte ihm diesen Namen gegeben, da er es schaffte, anscheinend mühelos in die Häuser seiner Opfer einzudringen, und offenbar spurlos durch geschlossene Türen und Fenster zu entkommen vermochte. Der unglaubliche Einbruch in Lady Culpeppers Haus passte genau zu diesem waghalsigen Verbrecher.
Und dann die offene Schatulle! Auch das war typisch für die Katze. Einer der Gründe, warum sich die Zeitungen so für ihn interessierten, war seine seltsame Vorliebe für ausgefallene Stücke. Gewöhnlich nahm er nicht mehr als eines – allerdings stets ein besonders wertvolles. Oft ließ er die Schmuckkassette mit dem restlichen Inhalt offen zurück – ganz so, als ob er die Polizei oder seine Opfer verspotten wollte.
Er bestahl nur sehr reiche Leute, für die ein solcher Verlust nichts bedeutete. Den Londonern imponierten sein Wagemut, seine Geschicklichkeit und die Tatsache, dass er sich offenbar nicht bereichern wollte. Man vermutete natürlich, dass er den höheren Kreisen angehörte. Wie hätte er sonst Eintritt zu so vielen hochherrschaftlichen Häusern und Bällen bekommen können? Er stahl auch nur die exquisitesten Juwelen, was gewöhnlich während einer Festlichkeit im Haus passierte. Die Katze verschwand, ohne eine Spur zu hinterlassen, und schlug dann einige Tage, Wochen oder Monate später woanders erneut zu. Selbst viele Mitglieder der feinen Gesellschaft waren von seinen Machenschaften belustigt – zumindest solange er nicht sie selber bestohlen hatte.
Georgiana kannte alle Details der verschiedenen Fälle. Sie war sich damals sicher gewesen, dass sie den Gauner ausfindig gemacht hätte, wenn sie nur Zugang zu den entsprechenden Kreisen gehabt hätte. Aber ihr einziger Kontakt mit London waren die Zeitungen, die ihr Onkel für sie aufhob und die sie erst Wochen später zu lesen bekam. Sie hatte die Hauptstadt noch nie besucht und sich nie in der illustren Gesellschaft dort bewegen können, und die Katze war nie erwischt worden.
Georgiana versuchte sich daran zu erinnern, wann man das letzte Mal von diesem Einbrecher gehört hatte. Sie glaubte, dass der jüngste Diebstahl dieser Art vor mehr als einem Jahr begangen worden war. Das Interesse der Öffentlichkeit hatte deshalb abgenommen. In den Zeitungen spekulierte man, dass die Katze bei einer anderen Straftat erwischt und ohne viel Aufhebens verurteilt worden war, oder dass ihn womöglich ein Mitglied der Unterwelt umgebracht hatte.
Vielleicht, überlegte Georgiana nun, hatte er auch nur den Ort gewechselt. Sie wusste, dass die ländlichen Gebiete um London herum in der Obhut von wenig zuverlässigen Vertretern der Krone und der Justiz waren. Einige waren korrupt, andere einfach überfordert, und den meisten fehlte es an Geld und Mitteln.
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