HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
Kathryn. Sie war eine groß gewachsene braunhaarige Frau mit sanft blickenden braunen Augen und einem freundlichen, ungekünstelten Lächeln. Sie war ganz anders als die Damen bei Hofe. „Ich war begierig darauf, Euch kennenzulernen“, verriet sie Kathryn. „Gerhart erzählte uns von Eurer Reise nach London.“
„Ihr habt Gerhart gesehen?“ Kathryns Stimmung hob sich augenblicklich. Er war so nah …
„Ja.“ Sie lachte. „Wir sind von Gästen überlaufen, zuerst Lord John und dann auch noch der Bruder meines Mannes.“
„Ihr werdet uns bald alle wieder los sein, wenn wir nach Arundel reisen.“ Der Marquess nahm sich die gut gemeinten Sticheleien seiner Schwiegertochter nicht zu Herzen. Sie war gut zu seinem Sohn und hatte ihm erst ein Jahr zuvor einen Erben geschenkt.
„Ihr solltet Euch meinetwegen keine Sorgen machen“, erwiderte Charlotte. „Euer Enkel genießt all die Aufmerksamkeit, die Ihr Männer ihm zuteil werden lasst. Wir mögen es, Gäste zu haben.“
„Wann brecht Ihr nach Arundel auf, Mylord?“, fragte Kathryn.
„Morgen.“
„Wird Gerhart Euch begleiten?“
„Ja, Sir Gerhart reitet mit uns. Ich werde ihn ganz bestimmt davon unterrichten, wie es Euch hier ergeht.“
Kathryn war erschüttert. Jetzt würde Wolf weit weg sein in West Sussex. Zu weit weg, als dass der Gedanke an ihn ihr noch Trost spenden konnte.
10. KAPITEL
Arundel
Ende Mai 1421
König Heinrich war erfreut, den Marquess of Kendal zu sehen. Der Monarch war in gehobener Stimmung. Seine kürzliche Heirat mit Catherine de Valois erwies sich als zufriedenstellende Verbindung, und seine Siege in Frankreich hatten ihm zu Hause einiges Ansehen eingebracht. Der König war demnach wohl geneigt, freundlich und großzügig zu alten Freunden zu sein, und der Marquess of Kendal war einer seiner treuesten. Dies hatte Beauchamp durch seine Loyalität am Anfang der Regierungszeit von Heinrich IV. und durch seine fortgesetzte Unterstützung des neuen Königs bewiesen.
Über Sir Gerharts Anwesenheit war Heinrich gleichfalls erfreut. Er lauschte dem Bericht des Ritters über Kathryn Somers’ Reise nach London mit Interesse und konnte nicht umhin, seinem Bedauern Ausdruck zu geben, als er vom Tod von Kathryns Base in Windermere erfuhr. Dem König wurde in allen Dingen ein vollständiger Bericht über den Reiseverlauf gegeben, einschließlich des Angriffs, den sie in der Nacht hatten abwehren müssen, nachdem sie Windermere verlassen hatten.
„Wie erging es der Lady während des Überfalls?“, fragte Heinrich besorgt. „Wurde sie verletzt?“
„Nein, Euer Majestät“, antwortete Wolf. „Obwohl sie sich am Schlachtgetümmel beteiligt hat.“
„Wie das?“ Die haselnussbraunen Augen des Königs verrieten seine Neugier.
„Sie stahl sich ungesehen davon“, erklärte Wolf mit einem Lächeln, „und bestieg ihr Pferd, von dem aus sie rittlings mit ihrer Lederschleuder Steine auf die Angreifer zielte. Und sie traf.“
Heinrich schaute Wolf ungläubig an. Er hatte noch von keiner Lady gehört, die jemals eine Waffe zu irgendeinem Zweck gebrauchte. Und sich an einem Kampf zu beteiligen, in dem ihr eigenes Leben auf dem Spiel stand …
„Erzählt mir mehr über Lady Kathryn“, befahl er, wobei er genauso gefesselt war von der eigentlichen Geschichte wie von Gerharts schwärmerischem Ton, wenn dieser von der Lady sprach.
Zunächst war Wolf etwas überrascht von dem Wunsch des Königs, da er angenommen hatte, Seine Majestät wisse bereits alles über Kathryn, was er wissen wollte. Dann aber, als er sich der Tatsache entsann, wie wenig ihm über Kathryn gesagt worden war, als er geschickt wurde, sie zu holen, wurde ihm schnell bewusst, dass König Heinrich selbst auch nur sehr wenig über Kathryn bekannt war. Warum er sie nach London bringen ließ, blieb auch weiterhin ein Rätsel. Obgleich Wolf und König Heinrich sich nahestanden, konnte er es doch nicht wagen, die Etikette zu verletzen und ihn rundheraus nach seinen Gründen zu fragen.
Er machte sich schon seit Tagen Gedanken um Kathryn, so im Palast gefangen in Gesellschaft der Hofdamen von Königin Catherine und all der englischen Ladys, die sich das Spinnen von Hofintrigen zur Lebensaufgabe gemacht hatten. Wolf war dem Marquess of Kendal sehr dankbar dafür, Kathryn mit Lady Charlotte bekannt gemacht zu haben. So verzweifelt er es sich auch wünschte, selbst für ihr Wohlergehen zu sorgen, wusste er doch, dass er nicht willkommen wäre. Wahrscheinlich war sie sowieso
Weitere Kostenlose Bücher