HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
sehr wenig ähnelte. Der andere Durchgang war aus Stein gewesen und hatte, obgleich er kühl war, nicht so widerlich gerochen wie dieser hier. Und außerdem führte hier eine hölzerne Treppe nach unten, irgendwo unter die Burg. Wieder schauderte sie.
Sie begannen damit, an die Tür zu pochen, in der Hoffnung, dass jemand, der vorüberging, sie hören und befreien würde. Beide Frauen versuchten, ihrer Angst Herr zu werden, die Ruhe und einen kühlen Kopf zu bewahren.
Nach einer ganzen Weile gaben sie das Klopfen auf. Kathryn nahm die Kerze und hielt sie fest. „Vielleicht gibt es einen Weg nach draußen, wenn wir den Stufen folgen“, sagte sie, indem sie versuchte, ihre Stimme zu beherrschen.
„Nein, Euer Gnaden“, warnte Emma sie eindringlich. „Wir müssen hierbleiben. Euer Ehemann wird uns gewiss finden …“
„Wie sollte er? Niemand kann uns hören, sonst hätte doch schon jemand diese Tür geöffnet“, sagte Kathryn, während sie die enge Holztreppe betrachtete. „Wir müssen versuchen, einen anderen Weg zu finden.“
„Denkt Ihr …?“
„Was, Emma?“
„Ach … Nichts.“
„Sag es mir.“
„Nun, ich habe nur gedacht – mich gefragt –, ob vielleicht jemand dort oben … die Tür hinter uns verschlossen hat“, sagte Emma. „Der Duke hat nicht allen getraut …“
„Du meinst, dass uns jemand eingeschlossen hat?“
Emma nickte.
Kathryn biss sich auf die Lippe und dachte über diese Möglichkeit nach. Es gab sicherlich genug Diener, die es getan haben könnten … und falls jemand den Ausgang versperrt hatte, hatte er dies auch mit dem Lagerraum getan, sodass es noch länger dauern würde, sie zu entdecken, wenn sie und Emma erst einmal vermisst würden.
Sie trat vorsichtig auf die erste Stufe, weil sie dem morschen Balken nicht traute, ihr ganzes Gewicht zu tragen. Da die Treppe aber kaum knarrte, ging sie weiter hinunter. Emma blieb immer dicht hinter ihr. Die Stufen führten immer weiter abwärts und endeten schließlich in einem kleinen, wenig schönen Raum, dessen Boden und Wände aus Lehm bestanden.
Eine kleine Bewegung in einer der Ecken erschreckte die beiden Frauen so sehr, dass sie die Arme eng umeinander schlangen.
„Eine Ratte!“
„Richtig. Es muss hier Futter für sie geben.“
„Mylady, dies scheint nicht der Weg nach draußen zu sein, wenn Ihr doch nur …“
„Nein, sieh doch, Emma. Ein weiterer Durchgang.“
„Das habe ich befürchtet“, flüsterte Emma.
„Sei nicht so furchtsam. Ich glaube, hier ist schon seit Jahren kein Mensch mehr gewesen.“
Sie gingen durch den engen Korridor und hofften, eine weitere Geheimtür zu finden. Kathryn hielt die Kerze so hoch, wie sie es irgend wagen konnte, da sie zwar verzweifelt nach einem Weg ins Freie suchte, doch gleichzeitig befürchtete, der leichte Wind könnte die Kerzenflamme zum Verlöschen bringen.
„Ich frage mich, ob es vielleicht mehr als diesen einen Tunnel gibt“, sagte Kathryn. „Dieser Luftzug muss von irgendwoher kommen …“Vorsichtig gingen sie tiefer in den Tunnel hinein.
„Ekelhaft, dieser Gestank.“ Emma bedeckte sich Mund und Nase mit den Händen.
„Ja“, erwiderte Kathryn und verzog das Gesicht. „Ich möchte bloß wissen, was … Oh, dies scheint ein weiterer Raum zu sein. Schau, Emma, hier gibt es eine Fackel an der Wand. Was für ein Glück. Ich will sie nur schnell anzünden …“
Emmas widerhallender Schrei durchbrach die unterirdische Stille. Kathryn wirbelte herum und sah im hellen Schein der Fackelflamme Lady Agatha, Countess of Windermere, auf dem Lehmboden sitzen, die Handgelenke an die Wand gekettet.
Um ihren eigenen Schrei zu unterdrücken, bedeckte Kathryn ihren Mund mit einer Hand. Dies also war der Ursprung des stechenden Verwesungsgeruchs. Die Countess war mindestens schon ein paar Wochen tot. Und hätte Kathryn nicht das formlose dunkle Gewand der alten Frau und ihre grauen Haarflechten wiedererkannt, wäre sie nicht darauf gekommen, dass es Agatha war.
„Gott im Himmel, das war Philip“, flüsterte sie. „Philip hat das getan.“
„Ja“, stimmte Emma ihr mit bebender Stimme zu und hielt sich an Kathryns Arm fest. „Wir müssen jetzt hinaus finden. Schnell! Bitte, Mylady …“
„Das werden wir“, sagte Kathryn abwesend, während sich ihre Augen noch an das helle Licht gewöhnten. Sie hielt sich Mund und Nase zu, blickte sich in dem Raum um und sah, dass diese grauenhafte Kammer nicht nur Agathas verwesten Leichnam barg. Es gab drei Skelette,
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