HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
sein Gesicht zeichneten. Doch bemerkte er auch den Hoffnungsschimmer in den silbergrauen Augen.
„Meine Gemahlin hat Lady Agatha letzten Frühling getroffen.“
„Ach? Wir dachten, die Lady wäre schon vor einigen Jahren gestorben. Gleich nach Clarence.“
„Kathryn konnte mir glaubhaft versichern, dass die Frau, die sie gesehen hat, aus Fleisch und Blut war“, antwortete Wolf. „Ein wenig verrückt vielleicht, doch immerhin am Leben.“
„Und darf ich fragen, wo Lady Agatha sich jetzt aufhält?“
Wolf zuckte die Schultern. „Von ihr fehlt ebenso wie von Philip jede Spur. Sie ist verschwunden.“
„Philip hat nie ein gutes Verhältnis zu seiner Stiefmutter gehabt“, bemerkte Prest. „Ich bin etwas überrascht zu hören, dass sie die ganzen Jahre über bei ihm gelebt hat.“
„Nun, wie es aussieht, war ihre Beziehung keine sehr gute“, sagte Wolf. „Er hielt sie vermutlich in einem Gemach im Westflügel gefangen. Es scheint aber so, als ob Agatha mithilfe einer versteckten Tür aus ihrem Gemach entkommen konnte. Auf diese Weise hat sie meine Frau von ihrer Existenz in Kenntnis gesetzt.“
Prest nickte. „Eure Eltern haben sich immer Sorgen gemacht, dass einer von Euch Jungen sich in einem Geheimgang verlaufen könnte. Einige der verborgenen Korridore wurden für immer versiegelt. Eure Mutter war besonders ängstlich …“
„Ich habe nie von diesen Durchgängen gewusst.“
„Man hat Euch absichtlich nichts davon erzählt.“
„Ihr sagt, es gibt noch weitere Geheimtüren?“
„O ja“, erwiderte der Kämmerer. „Ich würde mich glücklich schätzen, sie Euch morgen zu zeigen. Bei Tageslicht.“
„Versteckte Treppen?“
Stephen nickte.
„Verborgene Gemächer?“
„So ist es. Der erste Earl of Windermere – der Vater Eures Großvaters – war ziemlich verschroben. Wollte immer einen Fluchtweg haben, wo auch immer er hinging.“
„Ich nehme an, das hat durchaus seine Vorteile.“
„Sicher, Euer Gnaden.“ Prest lachte. „Erzählt mir von Euren Plänen mit Windermere. Es sieht so aus, als ob jemand es in die Hand genommen hätte, diese Burg wieder herzurichten.“
„Meine Frau.“
„Hat all dies eingeleitet?“, fragte Prest, indem er die Gerüste und den bisherigen Fortschritt betrachtete.
Wolf nickte.
„Eure Gattin muss eine tüchtige und kluge Frau sein“, sagte Prest. „Man braucht viel Erfahrung und einiges Talent, um eine Aufgabe von dieser Größe zu bewältigen.“
„Lady Kathryn hat sehr viel Erfahrung, Stephen“, sagte Wolf. „Um die Wahrheit zu sagen, hat sie vor unserer Hochzeit die Besitzungen ihres Vaters verwaltet.“
Prest zog die dichten Augenbrauen hoch. „Wie ungewöhnlich. Eine Frau … die ein Gut verwaltet?“
„Ihr werdet sie bald treffen“, sagte Wolf. Er beauftragte einen Diener, seine Gemahlin zu suchen und sie zu bitten, ihn in der Großen Halle aufzusuchen.
„Und was ist mit Philips Rechnungsbüchern?“, fragte Prest.
„Meine Frau und ich sind beide die Abrechnungen durchgegangen, alles hat seine Richtigkeit“, erwiderte Wolf. „Aber es gibt auch offensichtlichen Missbrauch.“
Nicholas kam auf der Suche nach Wolf herein und traf ihn mit dem alten Kämmerer in der Halle, in der Nähe der Feuerstelle, wo man eine ganze Ecke freigeräumt hatte von allen Werkzeugen und Putzgeräten. Er setzte sich zu den beiden, und Wolf stellte sie einander vor.
„Wo ist Kathryn?“, fragte Nicholas schließlich.
„Jemand geht sie holen.“
„Sie hat vermutlich noch einen Winkel zum Putzen gefunden“, sagte Nicholas mit einem Lächeln. „Oder vielleicht muss ein Leuchter umgehängt werden oder …“
„Möglich.“ Wolf lachte. „Sie könnte alle diese Dinge tun. Aber zumindest ist sie innerhalb der Burg beschäftigt und bietet Philip so kein leichtes Ziel.“
„Ja. Das stimmt, Wolf. Und sie arbeitet hingebungsvoll an der Erneuerung von Windermere. Ich sollte mich nicht darüber lustig machen.“
„Meine Gemahlin wird Euch, wenn Ihr sie trefft“, sagte Wolf zu Stephen, „möglicherweise nicht so erscheinen, wie eine Duchess es tun sollte.“
„Das habe ich schon vermutet, Euer Gnaden.“
„Sie hat es auf sich genommen, die ganze Arbeit zu überwachen …“
„Gerhart!“
Die drei Männer drehten sich nach dem Rufer um.
„Wolf, Sir … Euer Gnaden!“ Es war Sir Alfred Dunning, der schnell auf sie zukam. Seine finstere Miene ließ nichts Gutes ahnen, feine Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er war so verwirrt,
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