HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
aufzugreifen.
Kathryns Tage in Windermere waren erfüllt von Arbeit und vergingen schnell. Sie vermisste Wolf zwar, wenn er fort war, wusste jedoch nur zu gut, dass ein riesiger Berg Arbeit vor ihm lag, den er in kurzer Zeit und ohne die Hilfe eines Kämmerers bewältigen musste. Und außerdem entschädigte er sie jeden Abend für seine lange Abwesenheit, wenn sie sich in ihre Gemächer zurückzogen. All ihre eifersüchtigen Gedanken um Christine Wellesley verflogen. Bis sie Wolf und Christine das nächste Mal zusammen sah.
Kathryn und Emma machten gerade eine Pause von ihrer Arbeit in einem von Windermeres Türmen, um ein kleines Mittagsmahl zu sich zu nehmen. Sie lehnten an einer Mauer und schauten nach unten in den Hof. Die meisten Bediensteten und Arbeiter genossen ebenso wie Kathryn und Emma eine kleine Mahlzeit und den wunderbar sonnigen Nachmittag.
„Seht, es ist Euer Mann, der Duke“, sagte Emma und zeigte auf ihn.
Kathryn sah, wie Wolf mit Baron Wellesley zu seiner Rechten und Lady Christine zu seiner Linken in den Hof ritt, Christine, die ihn unverwandt anlächelte und ihm unanständig schöne Blicke zuwarf. Kathryn gefiel es ganz und gar nicht, wie Wolf sich zu Christine hinüberbeugte und allem, was sie sagte, besondere Aufmerksamkeit schenkte. Sie erinnerte sich daran, dass er in den letzten Tagen beim Abendessen überhaupt mehr als höflich zu dieser Lady gewesen war. Selbst dann, wenn Christine mit Kathryn nur die allernötigsten Worte wechselte, um den nötigen Anstand zu wahren. Das machte ihr zu schaffen.
„Was ist Euch, Mylady?“
„Nichts, Emma“, erwiderte sie und wandte sich vom Hof ab, als Wolf Christine von ihrem Pferd half.
„Ihr seht Euren Mann nicht gern in Gesellschaft dieser rothaarigen Frau, nicht wahr?“, fragte Emma.
Kathryn blickte sie finster an.
„Sie ist sehr schön“, sagte Emma, „doch Euer Gatte hat nur Augen für Euch.“
„Ach nein, das hat er nicht …“, seufzte Kathryn.
„Stellt ihn doch auf die Probe“, sagte Emma zuversichtlich. Sie hatte sich lange genug in der Nähe des Dukes und seiner Frau aufgehalten, um zu wissen, was er für seine Lady empfand. „Ich wette, dass die dort unten ihm nicht das Geringste bedeutet.“
„Wie meinst du das?“
„Erregt seine Aufmerksamkeit. Seht, was dann geschieht, Mylady“, sagte sie zu Kathryn. „Macht Eure Ansprüche geltend. Das würde ich zumindest tun.“
Kathryn überlegte kurz. Emma hatte recht. Wolf war ihr Ehemann, und sie hatte nicht die Absicht, ihn mit irgendjemandem zu teilen. Sie liebte ihn.
Kathryn zog sich das staubige Tuch vom Kopf und ließ es in den Hof fallen. Wolf und die anderen sahen es, und er und Lady Christine schauten zu dem Turm hinauf, der sie hoch überragte.
Wolf lächelte. Während er sich von dem Baron und seiner Tochter entfernte, warf er ihnen noch ein paar Worte zu, schenkte aber dem, was er sagte, kaum noch Beachtung. Kathryn lächelte zu ihm herunter, und ihre offenen Locken wehten im Wind. Wolf empfand diesen Augenblick als etwas ganz Besonderes. Ein freundliches Willkommen. Das Gefühl, zu Hause zu sein.
Christine Wellesley wandte sich verärgert ab. Sie wollte dem Duke of Carlisle nicht dabei zusehen, wie er einen Narren aus sich machte wegen dieser kleinen blonden Ehefrau. Kathryn passte nicht zu Wolf, und es war nicht zu verstehen, wie er sie nur ertragen konnte. Diese Frau kleidete sich doch tatsächlich in alte graubraune Gewänder und machte sich die Hände gemeinsam mit den Bediensteten schmutzig. Mit ein bisschen Glück würde Kathryn Colston, die Duchess of Carlisle, von irgendeinem Fieber dahingerafft werden. Schließlich war keine adelige Lady dafür geschaffen, so zu schuften, wie sie es tat …
Wolf nahm immer zwei Steinstufen auf einmal und eilte die verschlungenen Wege zu den Zinnen entlang, auf denen er seine Frau gesehen hatte. Er fand den Ort, trat ins Freie und bedeutete Emma leise, sie beide allein zu lassen.
„Emma, meinst du …“, sagte Kathryn unglücklich und ließ die Schultern hängen, während sie sich umwandte. „Wolf! Du bist gekommen!“
Hier ist der kleine Kobold wieder, den ich aus Somerton gerettet habe, dachte er lächelnd. Ihr hübsches Gesicht war rußverschmiert, und ihre grünen Augen blickten so offen und herausfordernd wie immer. Und erfreut. Sie war froh, ihn zu sehen, und Wolf ging das Herz auf. Mit ein paar schnellen Schritten war er bei ihr und nahm sie in die Arme. Er fragte sich, ob sie überhaupt ahnte, dass
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