HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
sie hier noch nie gesehen.“
Eurice wirkte beunruhigt. „Wenn du sie noch einmal siehst, berichte Lord Lucien darüber. Es ist möglich, dass dich jemand um dein Glück beneidet und dir Übles will.“
Alayna verschlug es beinahe die Sprache. „Mein … Glück?“
„Du bemitleidest dich schon wieder selbst.“
„Und habe ich nicht jedes Recht dazu?“, rief Alayna.
„Kind, ich weiß, dass du ihn nicht magst, aber er hat dich niemals schlecht behandelt.“
„Ja, außer dass er mich ständig beleidigt und wie eine Dienstbotin herumkommandiert.“
Eurice kicherte, während sie leicht Alaynas Arm tätschelte. „Ich glaube, du warst an den Beleidigungen nicht ganz unbeteiligt. Und sein schlimmstes Vergehen war doch nur, dass er nicht deiner Meinung war.“
„Und was ist mit der Tatsache, dass er mich zu dieser Vermählung gezwungen hat?“
Eurice nickte. „Ja, aber wenn dein Vater diese Verbindung arrangiert hätte, wäre es auch nichts anderes. Es ist kein Verbrechen, Vorteile aus einer Ehe ziehen zu wollen. Falls es sich nicht so verhielte, würden die meisten verheirateten Männer am Galgen enden.“
„Gar keine so schlechte Idee“, murmelte Alayna.
Doch Eurice winkte nur ab, bevor sie sich in Richtung des Küchentraktes entfernte.
„Darf ich Euch meine Glückwünsche aussprechen?“, fragte plötzlich eine tiefe Stimme neben ihr. Alayna blickte auf und sah Agravar, der sich vor ihr verneigte.
Mittlerweile fürchtete sie den hünenhaften Krieger nicht mehr. „Gratulationen sind für glückliche Ereignisse gedacht, Sir. Eure guten Wünsche bewirken nur, dass ich mich wie eine Heuchlerin fühle.“
Agravar sah sie nachdenklich an. „Ich weiß, dass diese Vermählung nicht Eurem Willen entsprach, aber Lucien wird Euch ein guter Gemahl sein.“
„Ich wüsste nicht, warum er das sein sollte, wenn er mich bisher auch nur verachtet hat.“
„Ihr müsst verstehen, dass Lucien sehr lange auf seine Rache gewartet hat“, erklärte Agravar, während er sie zum Herrentisch führte und sich neben ihr niederließ. „Glaubt mir, wenn Ihr wüsstet, was er ertragen musste, würdet ihr nicht so schlecht von ihm denken.“
„Ich wünschte nur, das alles hätte nichts mit mir zu tun“, seufzte sie. „Wie kommt es eigentlich, dass Ihr und Lucien Freunde seid? Ihr seid Euch in keiner Weise ähnlich.“
„Die Entstehung unserer Freundschaft war recht ungewöhnlich. Es genügt zu sagen, dass wir einige Ansichten teilten und tatsächlich viel gemeinsam haben, Mylady. Obwohl er hart, stolz und unnachgiebig wirkt, bewundere ich Luciens Charakterstärke. Er überlebte in einer Umgebung, die andere Männer gebrochen hätte.“
„Aber was ließ ihn so auf Rache sinnen?“
„Lucien sollte Euch seine Geschichte selbst erzählen.“
Alayna war jedoch nicht so schnell von ihrer Neugier abzubringen. „In der Waffenkammer sagte er, dass er von Edgars Männern gefangen und weggeschickt worden sei. Aber wie konnte er zurückkehren, noch dazu wohlhabend genug, um eine Armee wie diese auszuheben?“
Agravar erhob sich und lächelte sie wissend an. Sie dachte schon, er würde ihr nicht antworten, als er sich zu ihr herabbeugte und leise sagte: „Er tötete meinen Vater und stahl seine Schätze.“
Alayna schluckte. Keinen Augenblick zweifelte sie an der Wahrheit von Agravars Worten. Der Nordmann verbeugte sich wiederum, dann ließ er sie allein zurück.
Lucien wusste, dass seine Stimmung heute nicht besonders gut war. Vielleicht lag es daran, dass ihn Alaynas Verhalten völlig unerwartet getroffen hatte. Erstaunen war ein zu schwacher Ausdruck für seine Gefühle, als sie angemessen gekleidet in der Kapelle erschienen war und ohne jeglichen Widerstand der Zeremonie beigewohnt hatte.
Sicher, er war erleichtert. Erstaunlicherweise empfand er aber noch etwas anderes – er fühlte sich schuldig.
Verdammt, entwickelte er etwa ein Gewissen?
Er war nicht glücklich darüber, mit einer Frau vermählt zu sein, die ihn so verabscheute. Welches grausame Schicksal hatte ihn ausgerechnet mit ihr zusammengeführt, unter allen Frauen dieser Welt? Sie hatte ihm die Stirn geboten, als es kein anderer gewagt hatte. Sie hatte seine Befehle missachtet, ihn in aller Öffentlichkeit verspottet und ihn mit ihren verächtlichen Blicken ständig herausgefordert. Sie war bei Weitem die eigensinnigste, unverschämteste, faszinierendste …
Plötzlich wurde er sich bewusst, dass Agravar ihn neugierig anstarrte. Lucien bemerkte, dass
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