HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
er nichts von den Worten seines Freundes mitbekommen hatte.
„Und worüber zerbrichst du dir nun schon wieder den Kopf?“, fragte der Wikinger ungeduldig.
„Ich bin nur etwas zerstreut“, sagte Lucien. „Diese ständigen Schlachten laugen mich völlig aus.“
„Sprechen wir nun von Garrick oder Alayna?“
„Es bessert nicht gerade meine Stimmung, dass ich eine Frau geheiratet habe, die mich nicht einmal ansieht. Hast du sie in der Kapelle gesehen? Sie wirkte wie eine vestalische Jungfrau, die zu ihrer eigenen Hinrichtung geht.“
„Was hast du denn erwartet?“, rief Agravar aus.
„Muss ich wirklich mein Leben mit einer wilden Katze verbringen, die mich andauernd anfaucht?“
„Seltsam, vor wenigen Augenblicken hat sie etwas ganz Ähnliches zu mir gesagt.“
Lucien warf seiner Braut einen Blick zu. Wieder verspürte er Gewissensbisse, als er sie ganz allein dort am Tisch sitzen sah.
„Vielleicht wären einige Worte der Entschuldigung angebracht“, schlug Agravar vor.
„Ich habe sie bisher nicht um Verzeihung gebeten und werde auch jetzt nicht damit anfangen!“, entgegnete Lucien. „Diese Feierlichkeiten sind ermüdend. Ich gehe.“
„Aber es ist dein Hochzeitstag!“, protestierte Agravar.
„Aye, so ist es. Sei zufrieden, dass ich ihn nicht zum allgemeinen Trauertag erkläre.“
Als Alayna an diesem Abend müde ihre Kammer aufsuchte, waren all ihre Besitztümer zu ihrer Überraschung daraus verschwunden.
Verwirrt stand sie in der Mitte des leergeräumten Raumes, bis ihr die Erkenntnis kam. De Montregnier!
Ein Geräusch hinter ihrem Rücken erschreckte sie, und sie drehte sich um. Vor ihr stand die junge Dienstmagd, die sie bereits in der Halle so feindselig angestarrt hatte. Doch nun war ihr Blick völlig leer, als ob sie durch Alayna hindurchsehen würde. „Fluch über Euch“, sagte sie.
Erschrocken trat Alayna einen Schritt zurück. „Was hast du gesagt?“
„Er will nichts von mir wissen, er sieht nur Euch. So war es von Anfang an, aber ich dachte, dass Eure scharfe Zunge ihn schon vertreiben würde. Ich wollte nur seine Buhle sein, aber er wies mich ab – Euretwegen.“
Alayna verstand kein Wort. „Von wem redest du überhaupt?“
„Ich beobachte ihn, aber er sieht mich nicht. Ich dagegen sehe alles.“ Plötzlich verzerrte sich ihr hübsches Gesicht vor Wut. „Im Schlaf spricht er Euren Namen“, flüsterte sie. Dann wandte sie sich blitzschnell um und floh aus der Kammer.
Guter Gott, das Mädchen war verrückt! Als ob Alaynas Missgeschick nicht schon groß genug wäre, musste sie sich jetzt noch das wirre Gerede einer Verrückten anhören. Doch im Augenblick konnte sie sich damit nicht weiter beschäftigen.
Das Fehlen ihrer Sachen konnte nur eines bedeuten: Lucien erwartete sie heute Nacht in seiner Kammer.
An seinen Absichten bestand kein Zweifel. Gewöhnlich konnte er kaum ihren Anblick ertragen, und nun wollte er bei ihr liegen? Aber sie hatte bereits aufgegeben, einen Sinn in der Denkweise dieses Mannes zu suchen.
Falls sie sich weigerte, würde er sie dann zwingen? Nein, Lucien hatte zwar viele schlechte Eigenschaften, aber ein Lüstling, der sich Frauen gegen ihren Willen nahm, war er nicht. Nun, sie würde einfach zu ihm gehen und ihm mitteilen, dass sie sich seinem Willen nicht beugen würde.
Als sie sich auf den Weg zur Herrenkammer machte, war sie nur noch zu einem Gedanken fähig: Wie würde er sich verhalten? Es war eine Sünde, wenn eine Frau sich ihrem Mann verweigerte, und erst heute hatte sie vor Gott geschworen, ihm zu gehorchen.
Bei allen Heiligen, worauf hatte sie sich da nur eingelassen?
Lucien wartete bereits auf sie. Die Tür stand weit offen, und er saß auf einem der Stühle am Kamin. „Schließt die Tür“, sagte er mit beinahe sanfter Stimme, während er sich erhob.
Alayna folgte seiner Bitte nur widerwillig. „Was habt Ihr mit meinen Besitztümern gemacht?“
„Sie sind hier.“ Sein Gesichtsausdruck war unmöglich zu deuten, und sein Blick schien zu glühen, während er sie musterte. Alayna wandte sich ab.
Lucien trat näher, bis er dicht vor ihr stand. „Man sagte mir, ich hätte mich schlecht benommen. Agravar, der mich üblicherweise für meine fehlenden Manieren tadelt, legte einigen Wert darauf, mich über diese Tatsache aufzuklären. Ich glaube, er hat recht.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Ich möchte mich entschuldigen.“ Alayna schlug das Herz bis zum Halse. Auch sein schlimmster Wutausbruch wäre leichter
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