HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
offenbar hemmungslos ausgelebt hatte. Nachdenklich traf sie ihre Auswahl.
„Ich muss meinen Gemahl fragen, ob er mir überhaupt gestattet, so viel wegzugeben“, sagte Alayna zu dem Seneschall.
„Lord Lucien hat mich angewiesen, Euch zu überlassen, was immer Ihr für notwendig haltet“, erwiderte der freundliche Mann mit breitem Lächeln. Obwohl er bereits Edgar gedient hatte, sah man ihm deutlich an, dass er seinen neuen Lord sehr schätzte. „Mylord sagte, er würde Euch vertrauen.“
Nachdem sie sich von ihrem Schock über diese Bemerkung erholt hatte, begann sie ermutigt, die Ladungen für die Wagen auszuwählen. Am Ende des Tages war das Vorhaben zu ihrer Zufriedenheit erledigt.
Erst während des Abendmahles teilte man ihr mit, dass Lucien für mehrere Tage dem Bergfried fernbleiben würde. Wie Perry ihr schüchtern erklärte, waren sein Lord und Agravar mit einigen ihrer Männer ausgeritten, um Gastonbury von einer Diebesbande zu befreien, die im Wald lagerte. Ihr wurde jedoch versichert, Lucien sei rechtzeitig zurück, um sie wie geplant in das Dorf zu eskortieren.
Sie war überrascht darüber, wie enttäuscht sie über die Neuigkeit war. Insgeheim beschloss sie, viele Stunden auf ihren Knien in der Kapelle zu verbringen. Sie würde alle Heiligen bitten, ihr Geduld zu schenken – und Keuschheit.
Einige Tage später hielt sie sich in den Stallungen auf, wo sie mit dem Stallmeister besprach, wie viele Pferde und Wagen für ihre Zwecke nötig sein würden. Wie schon dem Seneschall war auch ihm befohlen worden, jedem ihrer Wünsche nachzukommen. Allerdings zeigte der bullige Mann im Gegensatz zu Alwin weniger Geduld mit seiner neuen Herrin.
„Ich finde, wir sollten uns um unser eigenes Wohlergehen sorgen, anstatt um diese Leibeigenen da unten“, sagte er, nachdem er sich ihre Vorschläge angehört hatte.
„Ohne diese Leute, die dort unten auf den Feldern arbeiten, hättest du nichts zu essen auf dem Tisch!“, widersprach sie ihm heftig. „Und ebenso wenig dein Lord. Es dient auch ihm, wenn sich jemand der Bedürfnisse dieser Menschen annimmt. Befolge jetzt meine Anweisungen, ich will keine weitere Beschwerde hören.“
Schulterzuckend schlurfte er von dannen. „Und noch etwas“, rief sie ihm nach. „Du solltest uns begleiten. Vielleicht wird dich ein eigener Eindruck von der Not im Dorf etwas über christliche Nächstenliebe lehren. Selbst wenn nicht, wird dir die gute harte Arbeit bekommen.“
Der Stallmeister wandte sich stumm ab, trat jedoch wütend nach einem Stück Holz, das zwischen dem Stroh auf dem Boden lag.
Seufzend ließ sich Alayna auf einem Schemel nieder und lehnte sich müde gegen die Wand. Sie konnte ihren Wutausbruch selbst nicht verstehen. Wahrscheinlich war sie nur übermüdet, nachdem sie sich in letzter Zeit Tag und Nacht ihren Vorbereitungen gewidmet hatte. Dennoch hatte auch die harte Arbeit nicht diese dunklen Augen aus ihren Gedanken vertreiben können, die sie bis in den Schlaf verfolgten.
Plötzlich zog ein Geräusch an der Tür ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es war Will.
„Will, wolltest du etwas mit mir besprechen?“, fragte sie.
Der Ritter zögerte einen Augenblick. „Nein, Mylady, ich wollte mich nur vergewissern, dass es Euch gutgeht.“
„Das ist nett von Euch, aber völlig unnötig. Ich bin sicher, dass mir innerhalb dieser Mauern keine Gefahr droht.“
Will trat unruhig von einem Bein auf das andere. „Trotzdem möchte ich über Euch wachen.“
Sein seltsames Verhalten machte Alayna misstrauisch. „Hat Euch de Montregnier geschickt, um mir nachzuspionieren?“
„Aye. Er bat mich, auf Euch aufzupassen.“
„Fürchtet Euer Baron so sehr, dass ich fliehen könnte? Nun werde ich schon beaufsichtigt wie ein Kind.“
Will zuckte nur die Schultern.
Sie schnaufte verächtlich. „Ich habe Zweifel an seiner Sorge um meine Sicherheit. Vielmehr wird er verhindern wollen, dass ich meine Drohung wahr mache und Gastonbury verlasse. Natürlich würde der große de Montregnier niemals zulassen, dass er eines von Edgars einstigen Besitztümern beraubt wird. Wen sollte es schon kümmern, dass ich ein menschliches Wesen bin, eine Frau mit Gefühlen?“
Will sah sie eindringlich an. „Alayna“, sagte er sanft, „ich möchte mit Euch sprechen.“
„Aye?“
Er zögerte, als kämpfte er mit einer wichtigen Entscheidung. „Ich weiß, dass Ihr unglücklich seid. Lucien … er behandelt Euch schlecht. Ich bitte Euch, eine weitere Möglichkeit in Betracht
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