HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
Gegen seinen Willen klang sein Tonfall ernst. Alayna zuckte zusammen, nickte dann jedoch.
Lucien verließ Gastonbury ohne ein weiteres Wort. Er war außerstande, etwas zu sagen, das sie trösten konnte, denn auch er hatte Angst.
23. KAPITEL
Nach vier Tagen erreichte Lucien Erstentine Abbey. Das Kloster war ein hässliches Gebäude mit spitzen Türmen, das sich dunkel vor dem grauen Himmel abhob. Ein dumpfes, hohles Geräusch ertönte, als Lucien mit der Faust gegen das gewaltige Tor klopfte.
In Augenhöhe öffnete sich ein kleines Fenster, und er trug dem unsichtbaren Zuhörer sein Anliegen vor. Nur widerwillig wurde er von einer jungen Nonne eingelassen, die trotz ihres zarten Alters ebenso grau und streng wirkte wie die Mauern, in denen sie lebte. Dann wartete er unruhig in der kargen Halle, während sie davonging, um seiner Mutter seine Nachricht zu überliefern.
Er hatte ihren Aufenthaltsort nicht lange nach seiner Ankunft in England herausgefunden. Es war wohl der ungeeignetste Ort für die verwöhnte Isobol of Thalsbury, und er konnte sich nicht vorstellen, warum sie sich gerade hier niedergelassen hatte. Doch bald genug würde er das Geheimnis lüften.
Die junge Nonne kehrte zurück und führte ihn zu einer kleinen Kammer, in der er seine Mutter erwarten konnte. Der Raum war nur spärlich möbliert und roch nach dem Fett der billigen Kerzen, die an den Wänden brannten.
Sie ließ ihn lange in der winzigen, unbehaglichen Kammer warten, was seine Stimmung nicht gerade verbesserte. Schließlich hörte er sie eintreten. Mit einem tiefen Atemzug wandte er sich um, um seine Mutter zum ersten Mal seit elf Jahren anzublicken.
Es war deutlich zu sehen, dass sie älter geworden war. Ihr Gesicht wies feine Falten auf und trug die Zeichen der vergangenen Zeit. Dennoch war sie immer noch schön. Ihr Haar, das von einer einzigartigen rötlichbraunen Farbe war, lugte verräterisch unter dem Schleier hervor, der ihren Kopf bedeckte. Die Augen waren blau wie klare Bergseen, doch kalt wie Eis. Ihre gerade Nase, ein Merkmal, das er zusammen mit dem starken Kinn von ihr geerbt hatte, war aristokratisch geformt. Ihre legendäre Schönheit hatte über die Jahre kaum gelitten, stellte er fest. Trotzdem war ihr Blick falsch und gefühllos, genau wie früher.
Isobol zögerte einen Moment lang auf der Türschwelle, während sie ihren Sohn stumm ansah. Er hatte sich auf diese Begegnung gut vorbereitet. Nichts an seinem Verhalten ließ den Tumult erkennen, der in seinem Inneren tobte.
„Lucien.“ Das Wort klang eher wie ein atemloses Flüstern. Tränen traten in ihre Augen, und ihre vollen Lippen zitterten. „Mein Sohn.“
Er stand bewegungslos vor ihr. Er hatte sich auf die größten Meinungsverschiedenheiten eingestellt, doch dieser Gefühlsausbruch überraschte ihn völlig. Misstrauisch betrachtete er sie, doch zum Glück versuchte sie nicht, ihn zu umarmen.
„Also bist du endlich gekommen, um mich zu sehen. Ich habe dich erwartet. All die elf Jahre glaubte ich dich tot, und als ich die Nachricht deiner Rückkehr erhielt, betete ich, du würdest zu mir kommen.“
„Wie ist es dir ergangen, Mutter?“ Er war erleichtert, dass seine Stimme einigermaßen gelassen klang.
„Was glaubst du?“ Sie lächelte traurig.
„Ich habe keine Ahnung.“
Schweigen folgte. Isobol sank anmutig in einen Stuhl. „Ich habe auch gehört, dass du vermählt wurdest.“
Lucien versteifte sich. Er würde Alayna gegen jeglichen Angriff oder Vorwurf verteidigen. „Ja“, sagte er mit zusammengekniffenen Augen.
„Wie man sagt, soll sie entzückend sein.“
„Wer hat dir das gesagt?“, fragte er barsch.
„Einer meiner Dienstboten. Es gibt immer noch einige, die mir treu ergeben sind. Sie überbrachten mir die Neuigkeiten.“
Für eine Weile überlegte Lucien, ob sie die Wahrheit sprach. „Haben sie dir ebenfalls erzählt, dass ich gerade von einem Feldzug zurückgekommen bin? Ich tötete Garrick of Thalsbury, einen von Edgars Männern. Vielleicht erinnerst du dich an ihn. Er ermordete Vater.“ Es war unglaublich, doch sie zuckte zusammen. „Aber ich nehme an, dass dir diese Tatsache bereits bekannt war.“
Isobol erhob sich langsam, als ob sie eine schwere Last tragen würde. Dann ging sie zu dem kleinen Fenster hinüber, das hoch in der steinernen Mauer eingelassen war. Lucien sah nur ihr schönes Profil, das von den Sonnenstrahlen erhellt wurde, die in die kleine Kammer drangen. „Zweifellos wird es dir schwerfallen, mir zu
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