HISTORICAL EXCLUSIV Band 22
lockt sie ihn mit dem Versprechen des Reichtums, den Gastonbury dem König einbringen kann.“Vor der Tür zur großen Halle blieben sie kurz stehen. „Wie ich sehe, plagen dich wieder deine alten Dämonen. Vertreibe sie aus deinem Kopf, Lucien. Bedenke, was auf dem Spiel steht.“
Lucien nickte grimmig und betrat den großen Saal.
Der Richter war nicht anwesend, doch Lucien erblickte Alayna, die bei ihren Damen saß und ihm den Rücken zukehrte. Sein Blick glitt zu der älteren Frau an ihrer Seite, und er entdeckte sofort die Ähnlichkeit.
Veronica war klein und zierlich, doch sie trug den Kopf hoch erhoben, als sei sie eine Königin. Offensichtlich hatte Alayna ihre Anmut und ihren Stolz geerbt, doch sie übertraf ihre Mutter sowohl in Körpergröße wie auch Schönheit. Entschlossen trat er auf die Gruppe zu.
Das Gespräch der Damen verstummte sofort, als er näher kam. Veronica war die Erste, die ihn bemerkte. Sie vergaß ihre Worte mitten im Satz und sah ihn überrascht an. Auch Alayna blickte auf, und die Näharbeit glitt beim Aufstehen aus ihrem Schoß.
Ihr Gesicht leuchtete auf vor Freude, doch er fühlte nur Kälte in seinem Inneren. Der Schmerz über die Begegnung mit Isobol war noch zu frisch. „Guten Tag, Gemahlin“, sagte er kalt. Er war nicht in der Lage, sie zu berühren, so wie er es noch vor wenigen Tagen getan hatte.
„Mylord“, hauchte sie. Die Enttäuschung über sein sonderbares Verhalten stand deutlich in ihren Augen. „Dürfte ich meine Mutter vorstellen, Lady Veronica of Avenford.“
„Mylord, ich fühle mich geehrt, Euch kennenzulernen.“ Veronica sank in einen Hofknicks. „Doch was die Behandlung meiner Tochter betrifft, möchte ich noch einiges mit Euch erörtern.“
Er schenkte der Frau kaum Beachtung. Er beobachtete Alayna, während die verschiedensten Gefühle auf ihn einstürmten.
Er dachte an seine eigene Mutter.
Und er fragte sich, ob er für seine Gemahlin vielleicht ebenso den Narren spielte wie sein Vater für Isobol. Hatte er nicht immer geschworen, niemals eine Frau in sein Herz zu lassen?
Als er nun Alayna betrachtete, die gespannt und mit geröteten Wangen seine Antwort erwartete, stieg ein altbekanntes, kaltes Gefühl in ihm auf. Konnte man wirklich einer Frau vertrauen, oder waren sie doch alle gleich, wie er so lange geglaubt hatte – listige und betrügerische Lügnerinnen?
Alaynas Augen drückten ihre Besorgnis aus. „Geht es dir gut?“
Alle sahen ihn verwundert an. Als er sich nicht bewegte, legte sie eine Hand auf seinen Arm. „Mylord?“, fragte sie.
Er entzog sich ihrer Berührung, als hätte sie ihn verbrannt. „Wo ist Henrys Mann?“, wollte er unerwartet wissen. Es waren die einzigen Worte, die ihm im Augenblick einfielen.
„Er ist in das Dorf geritten, um sich selbst von den dortigen Umständen zu überzeugen. Will wurde aus Thalsbury zurückgerufen, und zusammen mit Perry eskortierte er Sir Wyndham auf dem Weg dorthin. Er sagte, sie würden rechtzeitig zum Abendmahl heimkehren.“
Alayna sah in Luciens ärgerliches Gesicht und wusste, dass etwas schrecklich falsch war. Sie hatte es bereits in dem Augenblick bemerkt, als er sie begrüßt hatte. Doch in Gegenwart ihrer Mutter wagte sie nichts zu sagen, da Veronica ihren Widerwillen gegen den neuen Schwiegersohn ohnehin schon bekundet hatte. Es schien sie nicht besonders zu beeindrucken, dass ihr Alayna unentwegt ihre Zufriedenheit versicherte.
„Vielleicht bist du nur müde, Gemahl. Komm mit in unsere Kammer, dort werde ich dir ein Bad bereiten lassen. Du kannst dich etwas ausruhen und erfrischen, bevor du unseren Gast willkommen heißt.“
Sie konnte sich nicht vorstellen, warum er sie so zornig ansah. Irgendetwas stimmte nicht, ihr Angebot schien ihn nur noch mehr zu verärgern. „Ich brauche niemanden, der mich bemuttert“, erwiderte er barsch und stürmte ohne ein weiteres Wort die Treppe zum Herrengemach hinauf.
Als Alayna sich den anderen Frauen zuwandte, warfen ihr diese entsetzte Blicke zu. Lady Mellyssand ging zu ihr und legte einen Arm um ihre Freundin.
„Sorge dich nicht wegen seines schlechten Benehmens“, sagte Mellyssand tröstend. „Sicher ist er müde und verwirrt von seiner langen Reise. Alayna, warum gehst du nicht in eure Kammer und versuchst, seine Stimmung etwas zu heben? Es wäre nicht sehr hilfreich, wenn er heute Abend einen schlechten Eindruck auf Wyndham machen würde.“
Alayna warf ihrer Mutter, deren Gesichtsausdruck ihre Zweifel bekundete, einen
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