HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Sorgfältig verteilte sie das duftende Myrrhenöl in das kunstvolle Schnitzwerk, denn auf keinen Fall wollte sie der nächste Gegenstand von Lady Katherines Zorn werden. Doch als sie die Näherkommende mit einem hastigen Knicks bedenken wollte, hätte sie vor Überraschung beinahe das Gleichgewicht verloren. Die Herrin schien in bester Laune zu sein.
„Ah, Bess. Geh in ein paar Minuten zu meiner Tochter und teile ihr mit, dass ich sehr ärgerlich sein werde, wenn ihre Stickarbeit nicht bis zum Nachmittag fertiggestellt ist“, sagte Lady Katherine, während sie bei dem Gedanken, dass diese Botschaft Seraphina veranlassen würde, genau das Gegenteil zu tun, schmunzelte. Sie würde jede Wette eingehen, dass ihre Tochter innerhalb der nächsten Stunde einen Spaziergang im Park unternahm. Mit Befriedigung vergegenwärtigte sie sich, wie die frische Luft Seraphinas Appetit anregen und ihren Wangen wieder etwas Farbe verleihen würde.
„Ja, Mylady“, erwiderte Bess verwirrt und starrte minutenlang Lady Katherine nach. Sie war sich zwar nicht ganz sicher, aber hätte dennoch schwören können, dass ihre Herrin leise vor sich hin sang.
3. KAPITEL
Zwei Tage später hielt der Earl of Heywood seine kastanienbraune Stute unter einer Gruppe alter Eichen auf einer Hügelkuppe an, von der aus man den Herrensitz Mayfield überblicken konnte. Unterhalb und zur Linken erstreckte sich ein dichter Wald wie ein flammendes Meer in der Herbstsonne. Zur Rechten lagen die säuberlich bestellten Äcker und Weiden von Mayfield, und am Horizont dehnte sich in sanften Wellen das Hügelland von Wiltshire.
Dieser Anblick hatte schon manchen Betrachter dazu bewogen, sich nichts anderes mehr zu wünschen, als den Rest des Lebens an diesem schönen, friedlichen Ort zu verbringen, doch der Earl schien keinen Gefallen daran zu finden. Sein Unbehagen hinsichtlich der Aufgabe, die vor ihm lag, war mit jeder Meile, der er sich Mayfield näherte, gewachsen. Warum zum Teufel nur hatte er sich von Elizabeth Tudor und William Cecil überreden lassen! Es hätte sicherlich auch noch einen anderen Weg gegeben um herauszubekommen, was Sherards Witwe vorhatte, und das auch ohne ihren Verdacht zu erregen. Verdammt! Ein dirnenhaftes Eheweib reichte wohl für jeden Mann aus. Heywood verzog angeekelt das Gesicht wie jedes Mal, wenn er an Lettice dachte: verführerisch, schön und doch unsagbar ehrlos. Er war so in diese unerfreulichen Erinnerungen versunken, dass er zusammenfuhr, als sein Begleiter neben ihm sein Ross zügelte.
„Um alles in der Welt, Richard!“, rief der Mann etwas außer Atem, als er den Earl anblickte. „Warum machst du ein solches Gesicht? Noch ein bisschen länger und dein Schneider kann es als Elle benutzen! Erfreut dich denn der Gedanke nicht, eines Tages ein solches Anwesen übernehmen zu können?“
„Das Land ist in der Tat von großer Schönheit, Tom.“ Heywood bemühte sich, seine Gedanken wieder in die Gegenwart zurückzuholen, und zwang sich zu einem Lächeln.
„Ha, es ist nicht halb so schön wie meine Nichte.“ Lord Musgrave schlug dem Earl lachend auf die Schulter. „Wenn du sie zur Frau nimmst, Richard, wird dich jeder Mann in England beneiden.“
„Tom, die Angelegenheit ist noch nicht geregelt“, entgegnete der Earl ungeduldig, denn er wollte auf jeden Fall verhindern, dass Lord Musgrave zum wiederholten Male ein Loblied auf die Tugenden seiner Nichte anstimmte. Während der vergangenen drei Wochen hatte er in aller Ausführlichkeit Seraphinas Lebensweg geschildert, und wenn seine Erzählungen der Wahrheit entsprachen, hatte offensichtlich bereits die Hälfte aller Männer Englands ihre Reize gerühmt.
„Sobald du sie gesehen hast, wird keine Frage mehr für dich offen sein.“ Lord Musgrave lachte zuversichtlich.
„Mag sein“, erwiderte Heywood zurückhaltend.
Da der Earl augenscheinlich zu weiteren Erörterungen nicht aufgelegt war, wechselte Lord Musgrave das Thema. „Ich hörte, dass die Königin im Sterben liegt und man ihr kaum noch einen Monat gibt. Ist das tatsächlich so?“
„Cecil hat es mir gesagt“, bestätigte Heywood.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Menschen in England ihren Tod betrauern werden“, sagte Lord Musgrave stirnrunzelnd. „Ihr unterlief ein Missgriff nach dem anderen seit ihrer Heirat mit diesem verdammten Spanier!“
„Das stimmt. Doch der schlimmste Fehler bleibt uns schließlich doch erspart. Cecil hat aus sicherer Quelle erfahren, dass die Königin
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