HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Wie barsch die Mutter hin und wieder auch sein mochte, Seraphina war sich der Liebe ihrer Eltern immer sicher gewesen. Erschrocken über ihren Zornesausbruch suchte sie nach passenden Worten für eine Entschuldigung, doch die Mutter kam ihr zuvor.
„Undankbares, pflichtvergessenes Kind! Wie kannst du wagen, so etwas zu sagen!“ Diese Worte zerrissen die Luft wie ein Peitschenknall.
„Pflichtvergessen?“ Seraphina glühte vor Zorn, und der Antrieb zu einer Entschuldigung verging unter dem Schmerz dieser ungerechten Anschuldigung. „Wie kannst du eine solche Behauptung aufstellen? Habe ich auch nur einen Augenblick gemurrt, als ihr mich dazu bestimmt habt, Edmund zu heiraten?“
„Das ist Vergangenheit“, wehrte Lady Katherine kühl ab. „Ich spreche von der Gegenwart. Doch da du offensichtlich nicht bei Laune bist, werden wir diese Angelegenheit später besprechen.“
„Du kannst darüber reden, wann du willst, Mutter, aber erwarte nicht, dass du mir eine neue Ehe antragen kannst. Ich habe genug bis an mein Lebensende von meiner ersten.“
„Du solltest aber dennoch ein paar Gedanken darauf verschwenden, selbst wenn du nicht darüber sprechen willst“, bemerkte Lady Katherine mit einer gefährlichen Ruhe. „Der Earl of Heywood hat um deine Hand angehalten.“
„Der Earl of Heywood?“ Seraphina starrte die Mutter ungläubig an. „Nach all dem, was Edmund mir angetan hat, willst du, dass ich ausgerechnet diesen Mann heirate? Es ist allgemein bekannt, dass er Frauen verabscheut, es sei denn, sie dienten einem ganz bestimmten Zweck … und es sind sogar einige Stimmen laut geworden, die behaupten, seine erste Frau sei keines natürlichen Todes gestorben …“
„Müßiges Geschwätz missgünstiger Neider!“, versetzte die Mutter ärgerlich. „Du weißt nicht das Mindeste von ihm außer Gerüchten. Und selbst wenn sie zutreffend wären, hätte das nichts zu sagen. Wir können einen Mann von Rang und künftigem Einfluss nicht abweisen – das weißt du auch selbst“, fügte Lady Katherine mit eiserner Strenge hinzu. „Wenn du den Earl heiratest, wird die ganze Familie ihren Nutzen davon haben, sobald Lady Elizabeth den Thron bestiegen hat. Er ist einer ihrer besonderen Günstlinge …“
„Genügt dir Mayfield nicht mehr? Soviel ich weiß, leiden wir keinen Mangel.“
„Und was ist mit deinen Cousinen Ashley, Anne und Jane? Die beiden hatten wegen meiner Verbindungen zu Anne Boleyn sehr zu leiden gehabt. Nach fünf Jahren Verbannung vom Hofe kann meine Schwester kaum genug Münzen zusammenkratzen, um ihre Blöße zu bedecken. Heirate den Earl, und du wirst in der Lage sein, ihnen eine Stellung bei Hofe und einen passenden Gemahl zu beschaffen.“
„Also das ist der Preis für mein Glück! Ein reicher Ehemann pro Kopf für meine beiden Basen!“
„Du musst lernen, dein Glück in dem zu finden, was Gott dir zugeteilt hat“, erwiderte Lady Katherine. „Wenn du erst verheiratet bist, wirst du schon zurechtkommen.“
„Dasselbe hast du gesagt, als ich Edmund zur Frau gegeben wurde!“ Seraphinas Stimme brach, als die schrecklichen Erinnerungen in aller Lebendigkeit in ihr aufstiegen. In Sherard House hatte sie so manches Mal nach Hilfe gerufen, doch niemand aus den Reihen der Dienerschaft hatte gewagt, ihr beizustehen, denn es war das Recht eines Ehemannes, mit seinem Weibe nach eigenem Gutdünken zu verfahren. Wenn Grace nicht befohlen hätte, die Tür aufzubrechen, wäre sie selbst jetzt wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Und Seraphina wünschte nun beinahe, es wäre so. Sie hob den Blick zum Antlitz ihrer Mutter. „Ich will ihn nicht heiraten“, erklärte sie mutlos. „Ich will nicht.“
„Du wirst tun, worum man dich bittet.“ Wenn Lady Katherine von der Verzweiflung in den Augen ihrer Tochter berührt war, so gab sie doch davon kein Anzeichen kund.
„Ihr treibt mich in den Tod! Ich werde mich lieber umbringen als erneut zu heiraten!“ Ohne es zu wollen, stieß Seraphina die Worte hervor und konnte selbst kaum glauben, dass sie diese ausgesprochen hatte.
Ihrer Mutter schien es ähnlich zu gehen, wenn man ihre entsetzte Miene richtig deutete.
„Ich meinte nicht …“, begann Seraphina hoffnungslos.
„Das erwarte ich auch. Die Sünde des Ungehorsams wiegt schon schwer genug!“, unterbrach Lady Katherine abweisend. „Ich gehe hinunter in die Halle. Wenn du dich an deine Manieren und an deine kindlichen Pflichten erinnert hast, kannst du dich bei mir
Weitere Kostenlose Bücher