HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
entschuldigen.“
„Da wirst du aber lange warten müssen!“ In ohnmächtiger Wut krampfte Seraphina die Hände in ihr Samtgewand, dass die Knöchel weiß hervortraten, und wandte ihrer Mutter trotzig den Rücken.
Einen Augenblick zögerte Lady Katherine. Ein Hauch von Unsicherheit erschien auf ihrem Gesicht, und sie streckte zaghaft die Hand nach ihrer Tochter aus. Doch als sie Seraphinas widerspenstig gestrafften Rücken betrachtete, zog sie mit einem kaum sichtbaren Lächeln die Hand wieder zurück, wandte sich um und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.
Als sich die Tür hinter der Mutter geschlossen hatte, ergriff Seraphina einen zinnernen Leuchter und schleuderte ihn an die Wand. Dann sank sie in die Knie, vergrub das Gesicht in den Händen und begann, wild und verzweifelt zu schluchzen.
Draußen lehnte Lady Katherine am Türrahmen und murmelte leise ein inniges Dankgebet.
„Alles in Ordnung, Kate?“, fragte wenige Augenblicke später Lord Henry Carey seine Gemahlin, als er die Galerie über der großen Halle betrat.
„Es könnte gar nicht besser sein“, erwiderte seine Eheliebste. „Seraphina hat einen Zinnleuchter an die Wand geworfen, nachdem ich ihr erklärt hatte, sie müsse Heywood heiraten. Und nun weint sie endlich, Gott sei Dank!“
„Amen!“ Ein froher Glanz erschien in den klugen Augen von Lord Carey. Obwohl er sich im Allgemeinen nicht mit den Dingen des Alltags beschäftigte und ganz in der Welt seiner Bücher lebte, lag ihm doch das Glück seiner Tochter sehr am Herzen. „Ich fürchtete schon …“ Er unterbrach sich und seufzte leise.
„Ich ebenfalls.“ Lady Katherine blickte ihren Gemahl voller Verständnis an.
„Kate?“ Lord Henry erblasste. „Weinst du etwa …“
„Unsinn.“ Lady Katherine rieb sich die Augen, als ihr Gemahl seinen Arm tröstend um sie legte. „Da ist nur diese Sache mit Heywood. Es ist noch so früh. Leicht wird es für sie nicht sein …“
„Hmm …“ Lord Carey runzelte die Stirn. „Bist du sicher, dass er … dass er freundlich zu ihr sein wird?“ Er hustete verlegen, denn im Großen und Ganzen überließ er solche Dinge seiner Gemahlin. „Wir könnten ihn ja abschlägig bescheiden.“
„Und damit Lady Elizabeth kränken, die diese Verbindung vorgeschlagen hat?“ Lady Katherine schüttelte den Kopf. „Das dürfen wir nicht riskieren, Henry. Du weißt genau, dass unsere Familie des königlichen Wohlwollens bedarf. Außerdem mag mein Bruder den Earl gut leiden, und wenn er nun halb so ist wie sein Vater, müssen wir wohl keine Bedenken haben – trotz seines etwas zweifelhaften Rufes.“
„Nun gut. Robert Durrant war in der Tat ein vortrefflicher Mann.“ Lord Carey lächelte und schien plötzlich in eine weite Ferne zu blicken. „Wusstest du, dass ich einmal gefürchtet hatte, dich an ihn zu verlieren?“
„An Robert Durrant?“ Seine Eheliebste lachte und sah auf einmal wieder ganz jung aus. „Da ist nie Gefahr gewesen. Wenn ich Robert Durrant zum Mann genommen hätte, wäre unser Haus ein Schiff mit zwei Kapitänen geworden!“
„Das stimmt“, bestätigte Lord Carey ernsthaft.
„Du hättest mir aber nicht zustimmen dürfen, Henry! Bin ich denn wirklich so despotisch?“
„Gewiss doch, meine Liebe“. Ein freundliches Lächeln spielte um Lord Careys Lippen. „Ah, jetzt fällt mir ein, was ich dich eigentlich fragen wollte. Wo hast du meine Augengläser hingetan, Kate? Ich muss einen Brief schreiben.“
„Sie sind dort, wo du sie gestern Abend hingelegt hast.“ Lady Katherine warf ihm einen zärtlich anklagenden Blick zu. „Auf der Kleiderpresse in unserem Schlafzimmer.“
„Ich danke dir, meine Liebe.“ Mit diesen Worten wandte sich Lord Carey der Bibliothek zu, die er gerade verlassen hatte.
„Und mache dir keine Tintenflecke auf die Ärmel. Aus dem Samt bekommt man sie nicht mehr heraus“, rief ihm seine Gemahlin nach in einem Tonfall, aus dem wenig Hoffnung auf Befolgung dieses Ratschlages klang.
Dann raffte sie die Röcke ihres schweren pelzverbrämten Obergewandes und eilte lächelnd durch die lange Galerie, während sie die Melodie einer Gaillarde summte, nach der sie einmal als junges Mädchen im Beisein von König Heinrich getanzt hatte. Seraphina und Robert Durrants Sohn. Es würde gut gehen. Sie spürte es in allen Knochen.
Aufgeschreckt von dem Rascheln von Lady Katherines seidenen Unterröcken machte sich Bess mit erhöhtem Eifer an das Polieren der Eichentruhe am Ende der Galerie.
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