HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Mord!
Sie hielt den Atem an, als Denleigh dicht an Madrigals Box vorüberging, und erkannte plötzlich mit untrüglichem Instinkt, dass diese Verschwörung der Grund für John Malgreaves Tod gewesen war. Er musste irgendetwas davon gewusst haben. Großer Gott, was sollte sie nur tun? Wem konnte sie von dem Gehörten berichten? Die Königin war auf der Jagd, und wer außer dem Earl noch Einfluss auf sie hatte, wusste Seraphina nicht genau, da sie noch nicht lange genug bei Hofe war. Sie schloss die Augen und überlegte fieberhaft. Cecil? Oder Mary Sidney? Diese beiden waren wohl vertrauenswürdig. Sobald Grace verschwunden war, würde sie zu einem der beiden gehen. Herr im Himmel, was würde sie darum geben, wenn Richard jetzt an ihrer Seite wäre!
In diesem Augenblick berührte irgendetwas ihre Hand. Sie öffnete die Augen und stöhnte laut auf vor Entsetzen. Jeder vernünftige Gedanke, jede Überlegung war von einem kreatürlichen Grauen verdrängt worden, das Schauer über ihre Haut laufen ließ. Eine Spinne! Schwarz und scheinbar riesengroß kroch sie bedrohlich über Seraphinas Hand, deren Herz raste, als habe sie gerade eine halbe Meile im schnellen Lauf zurückgelegt. Wild schüttelte sie die Hand, und die Spinne fiel auf ihren Rock. Mit einem gellenden Schrei schwang Seraphina das Samtgewand so heftig in die Höhe, dass Madrigal erschrocken einen Satz zur Seite machte. Und dann, nach endlos erscheinenden Sekunden, verschwand das widerliche Insekt im Stroh zu Seraphinas Füßen. Zitternd zog sich Seraphina zur Tür zurück, strauchelte, stieß an einen leeren Wassereimer, der mit lautem Klappern auf die Steinpflasterung des Stallganges fiel.
„Seraphina? Was um alles in der Welt tust du hier?“
Von neuer Angst ergriffen, fuhr sie herum und erblickte Grace, die sie durch die offene Stalltür beobachtete.
„Eine Spinne“, erwiderte sie mit unsicherer Stimme. „Eine Spinne ist von der Decke auf mich herabgefallen!“
„Hast du deine kindische Angst immer noch nicht überwunden?“, fragte Grace missbilligend. „Eine Spinne ist doch nicht giftig.“
„Im Gegensatz zu dir.“ Immer noch bebend entfuhr Seraphina unwillkürlich diese Bemerkung, während sie aus dem Stall trat und die Tür hinter sich schloss. Im Hof war auch jetzt noch niemand zu erblicken. Die Tatsache, dass Grace kein Wort erwiderte, ließ in Seraphina dieselbe panische Angst aufkeimen wie vor der Spinne.
Grace holte tief Luft. Ihre hellen Augen schienen plötzlich zu funkeln. „Du bist die ganze Zeit über im Stall gewesen? Hast alles gehört?“
„Ja“, erwiderte Seraphina kurz, denn sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, es abzuleugnen.
„Und was beabsichtigst du nun zu unternehmen?“, fragte Grace kühl, so als unterhielte sie sich über das Wetter.
„Was glaubst du wohl?“, fuhr Seraphina sie an, als ihr plötzlich die Idee kam, direkt zur Königin zu gehen. Man würde Grace in Arrest nehmen und dann … aller Wahrscheinlichkeit nach würde ihr das Beil des Henkers drohen. Seraphina hob den Kopf und blickte Grace halb anklagend und halb um Verzeihung bittend an. „Ich werde zur Königin gehen müssen. Du weißt doch, dass mir keine andere Wahl bleibt.“
„Ich habe dir in Sherard House das Leben gerettet. Bedeutet dir das denn gar nichts?“, erwiderte Grace und strich glättend über ihr tadellos frisiertes Haar.
„Doch.“ Seraphina versuchte vergebens, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. „Und deshalb werde ich die Königin auch bitten … Gnade walten zu lassen.“ Sie machte eine hilflose Handbewegung, als Grace ein sprödes Lachen von sich gab. „Komm mit mir, aus deinem freien Willen heraus. Wenn du alles gestehst, gibt es vielleicht doch noch eine Chance für dich …“
„Ich habe nicht die Absicht zu sterben.“ Wieder lachte Grace und ließ dabei ihren Blick über den verlassenen Hof wandern. „Und ich habe auch nicht die Absicht, diese von dir in Aussicht gestellte Chance zu nutzen. Also, was willst du tun? Willst du mich zur Königin schleppen?“
„Mylady!“
Seraphina wandte sich um und stieß dabei Grace’ halb erhobenen Arm zurück. Dickons vertraute Gestalt näherte sich quer über den Hof. „Nein“, erwiderte sie mit gepresster Stimme. „Aber Dickon wird es tun, wenn es sein muss.“
Grace erbleichte, zuckte dann aber gleichgültig die Schulter. „Ich vermute, dass es keine Rolle für dich spielt, denn du kannst ja deinen Gemahl ohnehin nicht leiden.“
„Mein Gemahl?
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